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BeitragVerfasst: Di 28.Jan 2014 14:37 
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Dauerbrenner
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Lieber Bürger von Untermhaus,
liebe Mitglieder des Forum Untermhaus.
Aus aktuellem Anlass füge ich hier in diesem Thema, an diesem Platz die Rede von Bernd Krüger ein, die er gestern am 27.Januar 2014 anlässlich des Gedenkens an die Opfer des Faschismus und des Holocaust, am Gedenkstein im Küchengarten gehalten hat. Aus aktuellem Anlass, weil auch heute wieder die Bürger ihren Geschäften nachgehen und dabei versuchen nichts zu wissen, zu ignorieren und verdrängen, wenn die ideologischen Nachfolger der Verursacher von Faschismus und Holocaust in Gera Konzerte abhalten.

Zitat:
Gera gedenkt der Opfer des Faschismus
27. Januar 2014

sehr verehrte Anwesende,
liebe Geraerinnen und Gera, liebe Gäste,
liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde

Am 29. November 1944 suchte die 33-jährige Geraer Bürgerin Christa Bloch während eines Bombenangriffs auf Gera Schutz in einem Luftschutzkeller.
Christa Bloch war Halbjüdin, das war den Geraern bekannt.
Man trieb sie aus dem Luftschutzkeller, am nächsten Tag, dem 30.11.1944, fand man ihre Leiche ganz in der Nähe des Luftschutzkellers, ihr Körper war von Bombensplittern übersät.
Das lakonische „man“ hat viele Gesichter, Geraer Gesichter, Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, ich scheue mich zu sagen, „Menschen wie du und ich…“
Ich bin versucht, mir vorzustellen, was da in dem Luftschutzkeller vor sich ging:
Hasserfülltes Gebrüll, Kreischen und Keifen, tätliche Angriffe bis Christa Bloch verzweifelt vor so viel Hass und unfassbarer Gemeinheit nach draußen fliehen musste, in den sicheren grausamen elenden Tod.
War da niemand, der empört rief oder wenigstens betroffen und entsetzt flüsterte: „Lasst doch die arme Frau in Ruh´!“
Dieser irrationale Hass, diese Gemeinheit und Brutalität ging nicht von im Töten trainierten eiskalten SS-Mördern aus, sondern von ganz normalen Menschen, von Frauen und Müttern, von Opas und Omas, von Nachbarn und vielleicht auch ehemaligen Arbeitskollegen, eben von einfachen, normalen Gerschen aus der Mitte der Gesellschaft.
Von diesen kann keiner sagen, er habe nicht gewusst, was Christa Bloch passieren würde, denn sie wussten schließlich alle, warum sie sich selbst in den Luftschutzkeller geflüchtet hatten.
Keiner der daran Beteiligten kann sagen, das habe er nicht gewollt.
Das hat vor 70 Jahren genauso in Gera stattgefunden.
Die Ruhestätte der Familie Bloch befindet sich auf dem Untermhäuser Friedhof.

Am 11. Januar 2014 steht in der OTZ das Ergebnis einer Umfrage, „ja“ oder „nein“ zu Sozialleistungen für Ausländer.
Das Ergebnis lässt mich schaudern und ich hoffe, dass die 88 %, die da mit nein stimmten, nur aus einer geringen Beteiligung resultieren.
Ob die Neinsager nun spontan, ohne groß nachzudenken oder aber ganz bewusst so entschieden haben – sie haben genauso entschieden, wie die Menschen im Luftschutzkeller am 29.11.1944.
Besonders schlimm. Sie taten es ohne Not.

Sind wir uns nur scheinbar in Mehrheiten einig darin, dass „so etwas“ nie nie wieder passieren darf?

Man darf aber nicht annehmen, dass es so wieder passiert. Und bereits hier und heute gibt es Anlass für Widerstand: Ich denke daran, wie wir auf der Welt Krieg führen, wie wir Europa einmauern und tausende von Menschen an den Grenzen sterben und im Mittelmeer ersaufen lassen. Widerstand auch, wenn Kultur geschliffen wird und die nicht Leistungsfähigen ausgegrenzt werden.

Deshalb lässt mir die Frage, warum und wie ist das Ganze nur entstanden keine Ruhe.
Der Judenhass ist in seiner Irrationalität nicht zu begreifen, dafür aber sind seine Auswirkungen umso greifbarer. Die Vorurteile gegen Juden verdichteten sich seit etwa 1100 und wurden sichtbar in „Judensau-Skulpturen“ an christlichen Kirchen.

Martin Luther postulierte (Zitat):
„Jawohl, sie halten uns in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, sauffen, leben sanft und wohl von unserm erarbeiteten Gut …“ usw.
Endlich fragt Luther: „Was sollen wir Christen nun tun mit diesem verdammten, verworfenen Volk der Juden?“ Er schlug sieben Schritte als „scharfe Barmherzigkeit“ vor. Man solle:
• ihre Synagogen niederbrennen,
• ihre Häuser zerstören und sie wie Zigeuner in Ställen und Scheunen wohnen lassen,
• ihnen ihre Gebetbücher und Talmudim wegnehmen, die ohnehin nur Abgötterei lehrten,
• ihren Rabbinern das Lehren bei Androhung der Todesstrafe verbieten,
• ihren Händlern das freie Geleit und Wegerecht entziehen,
• ihnen das „Wuchern“ (Geldgeschäft) verbieten, all ihr Bargeld und ihren Schmuck einziehen und verwahren,
• den jungen kräftigen Juden Werkzeuge für körperliche Arbeit geben und sie ihr Brot verdienen lassen.

All das haben die Nazis mit deutscher Gründlichkeit in Gesetzesform gegossen und ausgeführt. Die deutsche Wirtschaft hat sich – es klingt unfassbar – an der industriellen Vernichtung der Juden dumm und dämlich verdient, eben die ökonomische Seite des Völkermords.

Ich bitte darum, die Hinweise zu Luther nicht als kirchenfeindlich zu verstehen, eine Vielzahl der Christen gehört heute zu den mutigsten und entschiedensten Gegnern jeglicher Nazi-Ideologie.

Unser vor 13 Jahren verstorbener Ehrenbürger Werner Simsohn, dessen 90. Geburtstag wir in diesem Jahr gedenken, hat in den 3 Bänden „Juden in Gera“ in akribischer gewissenhafter Arbeit ganz genau beschrieben, wie die Nazis das Leben der jüdischen Menschen systematisch unmöglich machten und wie das im Geraer Alltag mit tatkräftiger Unterstützung der normalen Geraer durchgesetzt wurde.
Auch im Geraer Alltag, im normalen gerschen Leben wurde fast ohne Widerspruch zur „Endlösung der Judenfrage“ in Auschwitz und zahllosen anderen Stätten des Grauens beigetragen.
Wie in Gera, so in ganz Deutschland.

Wahrheit kann und muss manchmal schier unerträglich sein.

Dazu schreibt Thomas Mann in seinem Jahrhundertwerk Dr. Faustus:

„Unterdessen lässt ein transatlantischer General die Bevölkerung von Weimar vor den Krematorien des dortigen Konzentrationslagers vorbeidefilieren und erklärt sie – soll man sagen: mit Unrecht? – erklärt diese Bürger, die in scheinbaren Ehren ihren Geschäften nachgingen und nichts zu wissen versuchten, obgleich der Wind ihnen den Stank verbrannten Menschenfleisches von dorther in die Nasen bliesen, - erklärt sie für mitschuldig an den nun bloßgelegten Greueln, auf die er sie zwingt, die Augen zu richten. ….
Der dickwandigen Folterkeller, zu dem eine nichtswürdige, von Anbeginn dem Nichts verschworene Herrschaft Deutschland gemacht hatte, ist aufgebrochen, und offen liegt unsere Schmach vor den Augen der Welt, denen diese unglaubwürdigen Bilder nun allerorts vorgeführt werden, und die zu Hause berichten: was sie gesehen, übertreffe an Scheußlichkeit alles, was menschliche Vorstellungskraft sich ausmalen könne. Ich sage: unsere Schmach….

Ist es krankhafte Zerknirschung, die Frage sich vorzulegen, wie überhaupt noch in Zukunft „Deutschland“ in irgendeiner seiner Erscheinungen es soll sich herausnehmen dürfen, in menschlichen Angelegenheiten den Mund aufzutun?

Wie wird es sein, einem Volke anzugehören, dessen Geschichte dies grässliche Misslingen in sich trug…….einem Volk, das mit sich selbst eingeschlossen wird leben müssen, wie die Juden des Ghetto, weil ein ringsum furchtbar aufgelaufener Hass ihm nicht erlauben wird, aus seine Grenzen hervorzukommen, ein Volk, das sich nicht sehen lassen kann?....

Eine Vaterlandsliebe aber, die kühnlich behaupten wollte, dass der Blutstaat, dessen schnaubende Agonie wir nun erleben, der unermessliche Verbrechen, lutherisch zureden, „auf seinen Hals nahm“, bei dessen brüllender Ausrufung, bei dessen das Menschenrecht durchstreichenden Verkündigungen ein Taumel von Überglück die Menge hinriss, und unter dessen grellen Bannern unsere Jugend mit blitzenden Augen, in hellem Stolz und im Glauben fest, marschierte, - dass er etwas unserer Volksnatur durchaus Fremdes, Aufgezwungenes und in ihr Wurzelloses gewesen wäre, - eine solche Vaterlandsliebe schiene mir hochherziger, als sie mich gewissenhaft dünkte.
Ich frage – und frage ich zu viel?“

Ende des arg gekürzten Zitats, welches Thomas Mann übrigens am 25. April 1945, ein halbes Jahr nach Christa Blochs Tod niederschrieb.

Ich frage ebenso – und: frage ich zu viel?
Ich frage, wie wird man umgehen, mit diesen Worten?


(Mit freundlicher Genehmigung
Stadtrat Gera
Fraktion DIE LINKE
Bernd Krüger)


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BeitragVerfasst: Di 28.Jan 2014 17:37 
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Bernd Krüger versucht also diejenigen, die heute Ausländern die aus unseren Steuern gewonnenen Sozialleistungen (es geht dabei nicht um Asylhilfe) nicht zukommen lassen wollen, mit den Judenhassern von vor 70 Jahren gleichzustellen, spricht sich aber gleichzeitig dafür aus, die heutigen Christen NICHT mit den judenfeindlichen Christen aus Luthers Zeiten gleichzustellen. Hab ich das so richtig verstanden?


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BeitragVerfasst: Mi 29.Jan 2014 12:46 
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Da gibts nichts richtig zu verstehen, denn das ganze Geschwurbel gibt hinten und vorne keinen Zusammenhang. Oder was zum Henker soll die alliierte Bombardierung von Gera von vor annodunnemal mit den Zahlungen von Sozialleistungen an Nichteinzahler im Pleiteeuropa von hier und jetzt zu tun haben? Völlig absurd sowas vergleichen zu wollen, aber daran sieht man ja auch wes Geistes Kind solche ''Hassprediger'' sind. Außerdem strotzt das Pamphlet vor inhaltlichen Fehlern, z.B. sind die Judenpogrome auch schon in alten historischen Werken beschrieben, z.B. der Bibel, und tauchen nicht erst um 1100 auf. Aber was haben Zahlungen von Sozialleistungen an Nichteinzahler im Jahre 2014 nun wieder mit den Juden von 1100 zu tun? Übrigens gab es auch andere Kriegstote als Juden, aber das wird immer vergessen. Und was Luther betrifft, wer sich mit ihm auseinandersetzte wird festgestellt haben, daß er in seiner Ketzerverfolgung (d.h. Verfolgung und Vernichtung Andersdenkender) in Brutalität seinen katholischen Kumpanen in keinster Weise nachstand (übrigens auch Calvin nicht). Wenn mal also das Weltenübel sucht sollte man sich mal die religiösen Hirnschisse vorknöpfen und ausmerzen.


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