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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: Sa 01.Jun 2013 12:06 
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Oh Lea... da ist jemand offenbar noch intensiver teilzeit in Jena drin als ich es bin. :lol:

Lea hat geschrieben:
Hatte auch mal in der Chinesischen Mauer gewohnt als in Jena ankam weil ich nirgends sonst was bekam. Alles anonym und voller Psychopathen, die Kakis gar nicht zu zählen.

Die gab es bei mir nicht. Ich hatte nur in der Wohnung untendrunter erst eine WG, die so stark rauchte, daß das alles immer zu mir hochzog durch den Abluftschacht vom Bad. Die zogen dann aus, es folgte ein Rentnerpaar mit 2 Schäferhunden (im Plattenbau). Wenn die die Wohnungstür aufmachten, stank es im Treppenhaus dermaßen nach Dreck und Verwesung (nein, die Hunde warens gewiß nicht), daß ich die Luft anhalten mußte und eine Etage hoch lief um dort ins andere Treppenhaus zu wechseln, wenn ich runter wollte. Es konnte auch passieren, daß nach einem Wochenende, an dem ich in Gera bei den Eltern war, ein Zettel an meiner Wohnungstür klebte, ich solle gefälligst nicht mit schweren Armeestiefeln durch die Wohnung trampeln. Irgendjemand muß da also dringewesen sein, während ich abwesend war. Oder war derjenige doch nur im Hirn der Leute untendrunter?

Wenn ich mal eine technische Störung hatte in der Wohnung, kamen die Leute von der Genossenschaft gerne mit Straßenschuhen und Zigarette in die Wohnung. Daß das auch selbstverständlich völlig anders gehen kann, inkl. dieser blauen Überzieher, lernte ich dann erst in Berlin kennen.

Ein echtes Highlight in der chinesischen Mauer war die Sanierung des Sanitärstranges. Da rissen sie binnen einer Woche in den 11 Etagen alles raus. Die Wohnungen mußten tagsüber geöffnet bleiben (!), wie macht man das, wenn man arbeiten muß? WC / Wasser gabs glaube ich 2 Tage lang nicht, also hätte man eigentlich wegfahren müssen. Bei den wilden Stemmarbeiten rüttelte sich das Geschirr im Küchenschrank nach vorn, drückte die Tür auf und stürzte in die Spüle. Also nur noch Scherben und abgeplatzte Emaille in der Spüle. "Melden Sie es Ihrer Versicherung" war dazu dann der Kommentar. Mehr nicht.

Am Ende fand man seine Nasszelle in hellgrünem Sanitärrigips vor, das WC-Becken war an anderer Stelle festgeschraubt, so daß die alten Befestigungslöcher im PVC-Belag nun offen sichtbar waren. Die Wandfliesen waren weg und es wurde auch nichts neues gemacht. Das wäre Sache der Mieter. Ich zog es vor, die restlichen 4 Jahre dann in diesem Zustand zu hausen, statt dort nochmal zu investieren. 4 Jahre Sanitärrigips als Wand. War mir dann egal. Es war immerhin unschlagbar billig verglichen mit heute. Und der Chef der Genossenschaft war eigentlich sehr cool und mochte uns. Da war nichts mutwillig bösartiges. Da war alles nur einfach so selbstverständlich. Bösartig war und ist es anderswo in Jena.

Wir übrigens schon zu dritt. André J., der jetzige Yogazentrums-Mann, hat auch in der Bonhoeffer gewohnt zu Beginn, wie ich in Nummer 3.

Lea hat geschrieben:
Straba gabs da noch nicht, d.h. es wartete die tägliche Foltertortur im vollgepfropften Bus auf einen mit Stops alle gefühlte hundert Meter

Aua, ja, das war finster. Lobeda mit mehreren Zehntausend Insassen hatte Busanbindung bis in die späten (?) 90er. Zu DDR-Zeiten waren die brutalst voll, man karrte das Volk damals noch von Zeiss via Magdelstieg durch die Innenstadt nach Lobeda. Es gab zwar auch "rote Busse" (nach der Farbe der Zielanzeige), die weitgehend ohne Halt durchfuhren, aber die Busse waren immer so voll wie heute die Züge nach Weimar. Irgendeine Konstante gibt es da. Einmal war ich drin und meine Schultasche draußen, die Tür dazwischen. Ging auch. Vor der Wende kam man so aber von Lo-West Endhaltestelle binnen 10 Minuten ins Stadtzentrum. Kurz nach der Wende dauerte es mehrfach so lange, die Schlange ging manchmal schon in Wöllnitz los.

Einen Jenenser, den man daran erinnert, würde man aber höchstens zu einer der selbstverständlichen Aussagen bewegen: "ja klar, weil Gera Bezirksstadt war, bekamen die die Tatra-Bahnen und Jena mußte beim Bus bleiben." Leider ist dies geschichtlich nicht korrekt. Jena selbst wollte beim Bus bleiben, hatte in den 60ern das komplette Aus der Straßenbahn beschlossen. Das geplante Einschienenbahn-Netz (!) der Stadt scheiterte letztlich an der real existierenden DDR und es blieb beim Bus.

Lea hat geschrieben:
Gleichzeitig stellte man aber auf den Straßen überall Geschwindigkeitsbegrenzungen auf wegen Lärmschutz, hahaha. Daran hat sich bis heute offenbar nichts geändert, siehe z.B. den recht neuen Jenoptikblitzer an der Seidelstraße (ja, genau der, der erst in der 70-Zone stand und weswegen man dann dort sämtliche Bäume fällte um eine Grund zu haben ne 50 aufzustellen weils ja wegen der fehlenden Bäume nun viel lauter ist, aber hey, Jenoptik bekommt pro Foto ja auch zwei Euro, da kann man schonmal einen krummen Deal machen, man ist ja unter sich).

Ja, man ist in Jena unter sich und schiebt es sich gegenseitig zu - wie überall, nur auf hohem Niveau. Im Abkassieren ist die Stadt echt erfahren. Wie oft habe ich die Politessen mit dem Zentimetermaß auf Beutezug gesehen? Kein Witz, die gehen tatsächlich durch die kleineren Straßen und messen die Abstände parkender Autos zum gegenüberliegenden Bordstein. Und kassieren die Anwohner ab. Jeden Tag. Sollten sie mal in Gera machen, in der Schafwiesensiedlung, wo ganz selbstverständlich die Gehwege und die halbe Straße zugeparkt sind. In Jena dürfte da kein einziges Auto stehen. Und da verteilen sich ja noch tausende Pendler und noch mehr Studenten mit ihren Autos...

Lea hat geschrieben:
P+R ist in der Lichtstadt bis heute ein Totalausfall

"Seidelparkplatz". :mrgreen:

Ja, ein ÖPNV-Konzept ist nicht zu erkennen, obwohl es dringend nötig wäre. Zum Glück sind viele Studenten offenbar unwillig oder nicht vermögend genug für ein Auto, sonst gäbe es den kompletten Kollaps. Radfahren ist in Jena aber auch potentiell lebensgefährlich. An der Kreuzung vor der Zeisspoliklinik (wenn man vom Westbahnhof in die Stadt läuft) haben sie vor 2 Jahren eine junge Frau beinahe totgefahren. Der Radweg verendet im Nichts, eben noch rechts der Straßenampel vorbeigeführt steht der Radfahrer plötzlich auf der Straße. Ein abbiegender LKW tat den Rest.

Ich selbst stand mehrfach im Bus die Westbahnhofstraße hoch und erlebte, wie Radfahrer durch Körperkontakt zum Bus (!) am Bordstein beinahe zu Fall gebracht oder in Baustellen gedrängt wurden. Dort fahren auch Mütter mit Kinderanhängern lang. Da nimmt keiner Rücksicht drauf. Man hat sogar noch die Situation durch einen weiteren potthässlichen Hausbau ("exklusive Wohnungen" direkt an Jenas lautester Straße...) verschärft, indem man weit vor gebaut hat. Und die Innenstadt sollte auch mal komplett für Radfahrer gesperrt werden, kein Witz.

Lea hat geschrieben:
Fazit: zwei volle Dekaden Fehlentwicklung in diesem Bereich. Und nicht nur da.

Aber halt in einem Bereich nicht. Und das ist der, der das Geld bringt und damit der einzige, der zählt. Jena kennt keine Demut. Das merkt man dort ständig. Mir kommt die Stadt vor wie die Sage von Köni Midas. Man glaubt, alles, was man anfasse, müsse zu Gold werden. Den Karrieredurchreisenden ist es wurscht, die sind mal 2, 3 Jahre in der Stadt, machen ggf. sogar aktiv Kommunalpolitk in ihrem Sinne (verbrannte Erde) mit und ziehen dann weiter. Dann kauft die Stadt auch mal dem klammen FCC die Rasenheizung ab und streicht in der gleichen Sitzung den Zuschuß zur Schülerspeisung für sozial bedürftige Kinder. Und das finden dann auch noch Leute gut, weil nichts über den FCC geht.

Die, die in Jena länger leben, haben das Nachsehen, vor allem dann, wenn es sich nicht um akademische Doppelverdiener handelt (die wirklich nett gelegene und geräumige Wohnung der Familie meines besten Freundes dürfte inzwischen bei 1400 EUR liegen...), sondern um die, die gerne als deren "Bedienstete" aufgefaßt werden: von der Friseurin bis zur Kassenfrau beim Lidl. Für die wird es sau eng in Jena und es gibt durchaus Stimmen, die hinter vorgehaltener Hand sagen, die mögen gefälligst auswärts wohnen und zur Arbeit einpendeln.

Zum Thema sozialer Wohnungsbau wird eine Stadtgröße mit den Worten zitiert "wir wollen keine Subjektförderung". Da geht die Fahrt hin in Jena. Und die müssen jeden Tag in den Keller und die Geldscheine wenden, damit sie nicht schimmlig werden.

Lea hat geschrieben:
Auf jedem noch nicht zugeschissenen Flecken wird in der selbsternannten Leuchtturmstadt eine Betonwüste errichtet, übelst häßlich, viel zu eng alles, völlig steril, nichts organisch gewachsen, nichts was auch nur annähernd dorthin paßt, weder ästhetisch noch okonomisch. Wer sich ein Bild machen will braucht nur mal übern Friedensberg zu laufen, oder auf die Kernberge zu gucken, dieser in Beton gegossenen Perversion kann ich mich jedesmal beim Blick aus meiner Teilzeitwohnung erfreuen, da erspart man sich die Brechpillen.

Die alteingesessenen Anwohner am unteren Ende der Berghänge dürfen dann die Straßen bezahlen, auf denen künftig die Bewohner der neuen Passiv-KfW-Schimmelbuden ihre Audis entlangwälzen. Die Kleingärtner sind ihre Sorgen auch bald los: anteignet, plattgemacht, zubetoniert. Da macht man auch vor einem Sportplatz nicht Halt.

Aber was hast Du eigentlich? Man ist in Jena doch sehr sensibel, wenn es um gefählvolles Miteinander von Altem und Neuem geht:
http://www.stadtbild-deutschland.org/fo ... post141437

Das ist der "Sonnenhof" (ja, gibts also auch in Jena), dort verausgabt sich gerade eine Wohnungsgenossenschaft und die künftigen Edelwohnungen werden nach allem, was man so liest, offiziell für 14 Euro Kaltmiete gehandelt. Respektabel für eine Genossenschaft. Da setzt man Priotitäten. Da soll Jena hin. Die anderen sollen raus.

In Jena bekommen besonders sensibel durchgeführte Maßnahmen auch einen Fassadenpreis:
http://jena.thueringer-allgemeine.de/we ... -261351504

:D

Lea hat geschrieben:
Aber all das treibt die Preise nur noch weiter nach oben, weil all die Lemminge auf die Selbstbeweihräucherung und Dummgeschwätz reinfallen und all diesen überteuerten Scheiß kaufen und sich bis in die dritte Generation verschulden für ein feuchtes schimmliges dunkles Kellerloch.

Oder ein feuchtes Passivhaus-Loch, dessen Fassade alsbald vergammeln wird im Dämmwahn. Das ist ja aber zunehmend überall der Fall und auch in Gera oder anderswo sieht man die jämmerlichen Wärmedämm-Schimmelfassaden. Wenigstens kann man am schwarzen Belag über den Fenstern immer erkennen, wer in seiner Verzweiflung intensiv lüftet. :D

Aber noch funktioniert das ja mit Jena und da man wirtschaftlich recht breit aufgestellt ist und mit der Universität und den Instituten erstmal von der wirtschaftlichen Lage der Nation etwas entkoppelte Einrichtungen am Ort hat (bei den Akademikern ists nach meiner Erfahrung oft noch so wie in der DDR: Geld und Zeit sind im Überfluß vorhanden und nichts wert), dürfte sich daran auch kaum was ändern. Problematisch ist es jedoch schon seit Jahren, da Unternehmen gute Leute verlieren oder gar nicht erst bekommen, weil die Lebensbedingungen für Neuankömmlinge mies sind. Eine erfahrene Fach- oder Führungskraft ausm Westen, 100 kEUR Jahresbrutto gewöhnt, kommt kaum für 50-60 kEUR Jahresbrutto nach Jena (und das wäre schon verdammt viel, ich kenne Doktoren in der Industrie, die sind für 45 kEUR Brutto eingestiegen) und meldet sich auch nicht für eine Plattenbauwohnung an. Da Thüringen aber gewillt ist, die gesamte Wirtschaft des Freistaates in diese eine Stadt zu stopfen, wird man auch künftig massenhaft Körbe bekommen und dann wieder das Lied vom vermeintlichen "Fachkräftemangel" jaulen. Wir haben mehrmals (es müssen 3 gewesen sein) Absagen bekommen von bereits vollmundig angepriesenen Fach- und Führungskräften. Einer zog sogar wenige Stunden nach der Unterschrift unter den Vertrag zurück. Jena verlor in jedem Fall dabei gegen Dresden und nichtmal gegen München, Stuttgart, Hamburg oder Heidelberg. Das brachte dann den damaligen "Head of Technology" dazu, zu verkünden, man besetze vakante Positionen jetzt "nachhaltig" - also mit Jenensern. Und folglich ging eine wichtige Stelle auch an einen jungen dauergrinsenden Mann, der den Anforderungen nicht wirklich gewachsen war (was das Management aber so gut es ging ausblendete, da der junge Mann zu allem immer "ja" sagte bzw. immer die Meinung hatte, die gerade opportun war). Ich kenne zufällig die Wohnung dieses jungen Mannes, denn ich besichtigte einst das Objekt im Rohbau. Ich hatte mich dann aber doch gegen eine Keller-Einliegerwohnung entschieden.

Lea hat geschrieben:
Aber wenn in dem Kotzfladen ein Fähnchen steckt auf dem Jena steht dann wird daraus sofort ne lecker Pizza.

:bravo:

Eigentlich ist mit diesem Satz alles zu Jena gesagt. Man darf dabei bloß nicht vergessen, daß man wirtschaftlich und wissenschaftlich doch erheblich was drauf hat. Nur kann das doch nicht dauerhaft die Begründung für so ein Verhalten in völlig anderem Kontext (Lebensqualität) abliefern. Tut es aber. Seltsames Volk.

Die Pizza müßte korrekterweise dann aber aus einem Laden namens "Italjena" kommen, nur leider ist diese Schöpfung bereits durch ein Modegeschäft belegt. Da war jemand schneller.

Dennoch spürt die Bevölkerung im Unterbewußtsein den allgegenwärtigen Mangel. Auch wenn sie vielleicht die Ursachen nicht benennen kann, der Frust wird deutlich. Straßenbahnfahrer kennen häufig nur Vollgas oder Magnetschienenbremse. Rentner steigen ein und klammern sich erstmal panisch an die nächste Haltestange, bevor sie sich an der nächsten Haltestelle zum Automaten bewegen. Die Bahnen heizen dauerklingelnd durch die Stadt. Fahrer fluchen laut hörbar trotz Kabinentür. Ein Busfahrer der Linie 17 (da sogar mit Gelenkbus) drängte im Berufsverkehr vor 2 Jahren vorm Kupferhütchen einen auswärtigen LKW-Fahrer, der unschlüssig zwischen 2 Fahrspuren gen Süden unterwegs war, nach rechts gegen den Bordstein, stoppte ihn so, öffnete die vordere Tür und zeigte dem Mann den "Effenberg" - mit dutzenden Fahrgästen als Zeuge. So habe ich das Alltagsjena erlebt. Es ist zu eng, zu teuer und jedes Leben als Zahnrädchen ist komplett verplant. Das schafft Frust. Wenn ich dagegen die bewundernswerte Gelassenheit der meisten Berliner Busfahrer erlebe, auch im wirklichen Wahnsinn (Sonnenallee, Dauerstau zum Dammweg, Bus überfüllt, 95% sprechen nicht deutsch), ja, da tun sich Unterschiede auf.

Als ich um 2007 herum auf Wohnungssuche war, kam ich auch bei der WG Carl Zeiss vorbei. Die unterhält in der "Neuen Mitte" eine Geschäftsstelle. Ich wurde bereits am Tresen abgewiesen, reichlich unhöflich. Ich blieb stehen und hakte nach. Mit ein wenig Geduld und nach Signalisation von Verständnis klappte die Frau hinterm Tresen beinahe zusammen. Ja, es wäre schlimm mit den Leuten, die hier ankämen. Alle wären frustriert, es wäre aggressiv, die Situation wäre ja auch übel. Da müsse man dann so werden...

Ach so: einfach mal schauen, welche Lügenstories das Studentenwerk zum Thema "Leben in Jena" aus dem Hut zaubert, wenns um das Anwerben von Studis geht. Einfach köstlich, diese "Leben im Paradies"-Kampagnen. Auch das ist längst überreizt, ich habe Mittzwanziger kennengelernt, die nach der Zeit in der Uni schnellstmöglich weg wollen aus Jena, weil sie den extremen "Kindergarten" (die ganze Stadt zugestopft mit kreischenden Erstsemestlern auf Dauerparty, man kann nirgendwo mal in Ruhe essen gehen) nicht mehr ertragen wollen. Und es gibt Leute von weiter weg, für die ist Jena das "Versagerparadies": da gehen alle die aus Thüringen studieren, die sich nicht weiter von Mami forttrauen. Auch eine interessante Sichtweise, die ich teils bestätigen kann. Ich war auch so und die meisten meiner damaligen Mitstreiter haben die Stadt nie länger als für die 14 Tage Jahresurlaub verlassen.

Lea hat geschrieben:
Zehn km ausßerhalb bekommt man fünfmal soviel Platz und bessere Qualität für ein Viertel des Preises. Aber hey, das geht natürlich nicht, man will ja Teil sein von der Supercity wo alles besser ist und super toll, "weil Papi dort geboren ist und der Bruder auch".

Es gibt noch andere Gründe. Wer zum Beispiel gedenkt, eventuell Richtung Weimar oder Stadtroda zu ziehen, seinen Arbeitsplatz aber im Gewerbegebiet Nord hat (Alere, einst Schott, Promera, ...), der braucht von zu Hause bis Jena West vielleicht 20 oder 30 Minuten, von dort aber nochmal eine Dreiviertelstunde bis zur Arbeit. Mit einem Bus pro Stunde, mehr Fußnoten als Abfahrtszeiten im Fahrplan und nach der Arbeit gar keiner Verbindung mehr, muß er aufs Auto ausweichen und zahlt das, was er auswärts an Miete spart, wieder beim Benzin drauf. Ob es dann schneller geht, ist außerdem fraglich. Ein ex-Kollege kam aus der Nähe von Kahla und brauchte manchmal weit über eine Stunde bis ins Südviertel.

Lea hat geschrieben:
Insofern steht Gera fuchzigmal besser da und ist viel bodenständiger, denn dort hat man nicht solche Allüren, trotz glorreicher Vergangenheit.

Dafür habe ich den Eindruck, das völlige Gegenteil wäre häufig der Fall: ich nehme in Zeitungskommentaren und auch in Gesprächen häufig eine tiefe Verachtung der Stadt und aller ihrer Eigenschaften wahr. Das ist genauso schädlich für die Stadtentwicklung wie die Jenaer Selbstherrlichkeit, die vermutlich auch nur eine Minderheit so massiv austrägt und die natürlich von der Stadt bestmöglich instrumentalisiert wird, da Makler, Eigentümer und Politiker daran super verdienen können.

Gera hat eine Menge zu bieten an Substanz, die nicht selbstverständlich ist und die man nutzen statt verachten sollte. Das geht bei der Bausubstanz los - wo gibt es so viele tolle Villen wie in Gera? Ich nehme immer mit Freude zur Kenntnis, wenn wieder eine neu erstrahlt. In der Küchengartenallee ist auch eine wiederauferstanden und am noch behelfsmäßigen Briefkasten steht was von "Architekturbüro". Na bitte, mal wieder was mit vermutlich etwas Niveau angesiedelt.

Das betrifft auch die meisten Spuren der BUGA. Ich bin sehr froh, daß Gera die BUGA ausrichten konnte. Auch mit Restschulden. Es hätte keine andere so gute Chance gegeben, viele schlimme Narben in Gera und Umgebung zu schließen. Wenn ich an die endlosen Kiesflächen vorher und an das BUGA-Gelände heute denke, an das Hofgut, an die Prinzenhäuser und an die Villa Jahr, an die Flächen in Ronneburg und an vieles dazwischen - für 3 Millionen Euro wäre da nichts machbar gewesen. Die Besucher haben das weitgehend rückfinanziert. Diese Ote sind wichtig für das Wohlbefinden einer Stadt, auch wenn da keine Arbeitsplätze dranhängen.

Und das ist auch das Ding mit dem Dix, der uns Gerschen oft auch zum Hals raushängt. Nicht wir sollen da wöchentlich hingehen, sondern Gäste von auswärts. Die Dresdner gehen auch nicht jede Woche ins Grüne Gewölbe, aber weil es so viele andere tun, haben Gastgewerbe und andere Branchen erheblichen Umsatz. Dazu gibt es Zahlen: die TU Dresden hat einmal ausgerechnet, daß jeder ausgegebene Fördermittel-Euro für die Semperoper wieder 3.20 Euro einspielt. Bitte mal dazu hier Seite 2 - 17 lesen. Seite 1 enthält hingegen einen kapitalen Freudschen Vertipper...

Nun ist Gera nicht Dresden und kann mit dieser "Strahlkraft" nicht aufwarten. Aber das Gesamtpaket ist nicht unattraktiv: nahe der Klassikerstadt Weimar und der Wissenschaftsstadt Jena, selbst nicht die schlechteste Umgebung, Nähe zu den Thüringer Talsperren und auch noch zum Thüringer Wald, für Westdeutsche auf der Fahrt nach Dresden auch noch direkt am Weg, interessante und teils sehr schöne historische Stadtarchitektur, diverse Kunstschätze (ja, auch und vor allem der olle Dix...), das Theater. Anderswo reicht das für Touristen. In Gera nimmt man sie nicht wahr, es gibt sie aber auch. Ich hatte kürzlich zweimal mit weitgereisten Fahrradtouristen zu tun, in einem Fall ein Paar aus Holland, die sich im Pentahotel eingemietet hatten und von hier aus mit Rad und Auto Thüringen erkundeten, im anderen Fall zwei ältere Damen aus Westdeutschland, die auf architektonischer Spurensuche waren. In den Gesprächen wurde schnell klar: die waren von Thüringen begeistert und Gera paßte als Ausgangspunkt auch ins Konzept.

Ich bin der Überzeugung, daß das ausgebaut werden kann. Ein klares Bekenntnis zu Kunst, Kultur und Garten-/Landschaftsgestaltung ist hier nötig, die derzeitigen Spar-Zeichen aus dem Rathaus, so verständlich, wie sie sind, gehen aber in die falsche Richtung. Wenn Gera kurzfristig mehr Geld einnehmen kann, dann kaum mit der nicht vorhandenen Wirtschaftskraft auf Jenaer Niveau, sondern mit Tourismus, als Ausgangspunkt für die Erkundung Thüringens, ...

Im Zuge der Bettensteuerdiskussion gab man in Jena z.B. durchaus zu, daß die dortigen Übernachtungsgäste meist wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Ursprungs sind. Viel kulturelles ist da auch nicht, man muß auch dort dafür ins Umland (Weimar, Dornburg, Großkochberg). Die Stadt selbst hat zwar die Philharmonie, aber ohne eigenes Haus. Der Konzertsaal im Geraer Theater und eine Komplettbestuhlung des Volkshauses Jena kommen platzmäßig zwar in etwa auf das gleiche raus, aber das Geraer Theater ist von der Atmosphäre her dann doch eine andere Liga. Das muß man ausnutzen und vermarkten, nicht (nur) in Gera.

Ebenso wichtig aus meiner Sicht: Jenas Nachteile geschickt für sich nutzen. Jena hat z.B. keine großen Tagungsräume, die Universität braucht aber hin und wieder welche. Man weicht dann nach Weimar aus, klar, liegt näher als Gera. Aber warum nicht auch Gera? Tagungsgäste aus dem akademischen Bereich sind einiges gewöhnt, da wäre das KUK schon eine exzellente Tagungsstätte und man hat nach der Tagung auch genug Möglichkeiten, das ganze mit Kultur und auch Sightseeing zu koppeln. Vor allem internationale Tagungsgäste haben eine ganz andere Wahrnehmung als wir, kennen z.B. mitunter keine "in Stein gewachsenen" alte Städte, interessieren sich für Architektur, können mit dem Wirken der Bauhaus-Meister vertraut gemacht werden - auch in Gera. Selbst eine verlassene Sorge ist dann interessant, die Wahrnehmung von Gästen ist eine völlig andere als die Wahrnehmung der Einheimischen, die damit wirtschaftlichen Niedergang und sinkende Lebensqualität verbinden.

Das zumindest mir von längeren Tagungen bekannte "conference outing" (Tagesausflug) kann man dann problemlos durch Jena und Weimar führen, auch gesplittet als "Science Tour" in Jena (Planetarium, Opt. Museum, ...) und "Kultur-Tour" nach Weimar. Die Leute werden in einen (regional gecharterten) Bus gepackt und ab dafür. Haben wir bei Tagungen auch so gemacht und wurde mit uns anderswo (Portugal, Besichtigung von Sintra und Cabo da Roca) auch so gemacht, mit 200 Leuten. Da ging es quer durch historische Gärten und an die Küste.

Ist Gera jemals mit entsprechenden maßgeschneiderten Angeboten für KuK-Nutzung als Tagungsort an die Uni Jena und Jenas Wirtschaft herangetreten?

Schon nach dem blamablen Aus für das GalaxSea hätte man in Jena massiv Werbung für das Hofwiesenbad machen können. Klar, unter Sportlern ists bekannt, unter Studenten kaum - und die kämen kostenlos per Bahn bis Gera und zahlten selbst ohne Studentenausweis einen Eintrittspreis, der in Jena für die kleine Pfütze nie gereicht hätte. Ich habe einige male Hofwiesenbad-Flyer mit rüber nach Jena genommen, mußte aber feststellen, daß das dort nicht erwünscht war, weils ja Gera war.

Für Gera als attraktiven Wohnort für in Jena arbeitende muß aus meiner Sicht vor allem etwas für die Atmosphäre in der Stadt getan werden. Das, was mir am störendsten auffällt, ist diese Verachtung, diese Häme, die ich für Gera so typisch finde. Ich kenne das seit "immer", meine Großmutter war schon so. Liegt das den Gerschen im Blut? So etwas wirkt abschreckend, sinnlose Zerstörung ebenfalls (Toller-Straße, ausgehebelte Rolläden und beschmierte Wände). Beschmierte Wände gibt es in Jena freilich auch, ganze Straßenzüge sind da auch graue trostlose Ecken (das gesamte Gebiet zwischen Magdelstieg und Schottstraße beispielsweise), aber die Atmosphäre ist oberflächlich betrachtet erstmal eine progressive, bunte - auch wenn da viel Fassade ist.

Lea hat geschrieben:
Das von vornherein zum Scheitern verurteilte und inzwischen auch gescheiterter Projekt a la "Gera, die Einkaufsstadt" wird in der Akademikerstadt ohne Rücksicht auf Verluste noch immer umgesetzt und zwar in sich beschleunigender Weise. Die Schillerpassage ist grad gänzlich am Absterben nachdem sie jahrzehntelang künstlich beatmet wurde.

Das ist sowieso witzig. Aufm Land lassen sich die Leute alles schicken und keiner meckert, weil das Dorf keinen MediaMarkt hat. Fernabsatz hat außerdem den Vorteil, daß man das Zeugs problemlos zurückgeben kann, wenns nicht gefällt, verbunden freilich mit dem Nachteil, daß vor Ort Arbeitsplätze und Steuereinnahmen wegfallen. Aber Gera ruft nach einem "Elektromarkt", hat jedoch bereits zwei (ProMarkt, MediMax). Und wer jetzt sagt, der MediMax wäre am Arsch der Welt: ich habe da letztens mit der 70-jährigen Nachbarin deren neuen Fernseher gekauft. Per Straßenbahn, Wintergarten, die paar Meter hochlaufen. Die Frau hat auch den TV mit runter zur Straßenbahn getragen. Das geht sogar ohne Auto und war ruckzuck erledigt, von Untermhaus aus. Also, wozu einen dritten Markt, wenn nichtmal der in Bieblach-Ost überleben konnte?

Den TV hätte es übrigens im Internet etwa 10% billiger gegeben, aber die Dame zog verständlicherweise vor, das Gerät vor Ort zu begutachten. Dafür ist Einzelhandel da und die 10% waren keine Überforderung für die Frau.

In Jena brauchte man zusätzlich zum MediaMarkt nun halt noch einen Saturn, wofür das einzige erwähnenswerte Hotel in der Innenstadt kastriert wurde. Derweil gammelte der dortige Medimax nur 5 Fußminuten vom Stadtzentrum dahin. Das ist den Leuten in Jena zu weit. Auch der Real dort wurde nicht angenommen - somit bleibt nur noch der überteuerte Esoterik-tegut in der GöGa, das ideale Geschäft für die auf Pseudo-Bio bedachte Edelkundschaft.

Lebensmittel sind sowieso ein Thema in Jena. Anfangs habe ich es oft erlebt, nach Büroschluß (der häufig um 20 Uhr oder 21 Uhr lag) nichts mehr fußläufig einkaufen zu können. Manche Innenstadtgeschäfte schlossen schon um 19 Uhr, das ist für Exzellenzclusterinsassen etwa 3 Stunden zu zeitig! Später gab es dann wenigstens den netto an der Tatzendpromenade, der bis 22 Uhr geöffnet hat. Das Brot (dort aus der Stadtbäckerei) packten sie aber schon gern gegen 19-20 Uhr weg und stellten es zur morgendlichen Abholung (und vermutlich Vernichtung) bereit. Ich habe da immer wieder was aus den Stiegen gefischt, die da gleich hinter der Ladentür standen. Bis einmal dann eine maulige junge Verkäuferin das Kassieren verweigerte, weil ich nicht befugt wäre, das Brot zu kaufen. Das wäre bereits "gezählt" - 2 Stunden vor Ladenschluß. Ich durfte das Brot dann an der Kasse lassen und habe tags drauf an netto geschrieben. Die haben einen Testkäufer hingeschickt, dem prompt das gleiche passierte. Daraufhin hats dort offenbar geraucht... danach wurde das Brot auch bis 22 Uhr verkauft, wenns noch welches gab. Es war mir eine Genugtuung.

Lea hat geschrieben:
Nichtsdestotrotz wird der Eichplatz (besser gesagt das was davon noch übrig ist) gnadenlos zubetoniert mit der üblichen Mischung aus Bäckern, Reisebüros, Nippesgeschäften und Klugscheißerbüros, von denen es ja offenbar noch immer nicht genug gibt.

Wirklich? Ich bin geschockt. Ich hätte wenigstens einen Apple Store, einen Starbucks, noch einen Apple Store, eine edel aufgemachte Ausstellungsfläche für Porsche oder wenigstens Phaeton bzw. Audi und ähnliches erwartet. Mal was "angemessenes". Ach so, dafür reicht dann die Kaufkraft doch nicht. Die Kohle geht ja für die Wohnung drauf, und die gibts in Jena nicht für Hundertmark. ;)

Lea hat geschrieben:
Vorher mal eine Studie zum Einzelhandel in der Stadt machen (die den Irrsinn gnadenlos offenbaren würde) hat man nicht nötig, man weiß auch so alles besser, schließlich hat man doch zwei Hochschulen und kann damit vor geballter Intelligenz kaum gerade aus laufen weil einem diese schon zum Arsch raus quillt.

Ja, das ist das allerschlimmste. Und wir waren dabei. Man merkt es offenbar nicht in jungen Jahren. Man ist vielleicht sogar stolz drauf und trägt die Nase sehr hoch. Ich habs getan. Heute habe ich mit etwas mehr Lebenserfahrung eher das Gefühl, daß eine zwanzigjährige Bäuerin aus Graubünden weitaus mehr vom Leben und dem natürlichen, "organischen" Lauf der Dinge weiß als jeder Facebook- und iPhone-Schnösel, der sich auf seinen exzellenten Karriere-Ort mental einen abwichst. Die, die ich aus diesem bäuerlichen Umfeld in der Schweiz inzwischen kennenlernte, wirkten jedenfalls glasklar, gesund und liebevoll.

Lea hat geschrieben:
Arbeitstechnisch ist es auch nicht besser als in anderen Thüringer Städten, nur Kleinkrämer und Gemurkse, Sklaventreiber und ein paar IT-Buden immer hart an der Insolvenz, und die verbrannte Erde die das Platzen der ökosekteninitiierten Solarblase auch in Jena hinterlassen hat.

Letzteres interessiert schon lange keine Sau mehr. Laut Zeitungsberichten sind die meisten gut untergekommen. Irgendwo. Waren sowieso etliche Einpendler dabei. Und ob man nun aus Erfurt als Logistiker zu Schott nach Jena fährt oder ins Motorenwerk nach Kölleda, ist doch nun wirklich wurscht, solange einem vorher nicht der Umweltaspekt von Solar etwas bedeutet hat. Vorher haben andere noch dran verdient am Schottschen Niedergang. Auch das ist Marktwirtschaft und niemandem zu verübeln. Jeder will leben, arbeiten und Geld verdienen. So einigen war diese Zeit eine hochspannende Lektion in Sachen Leben. Mir zum Beispiel braucht niemand mehr jemals kommen mit Geschichten von "Perspektive" und "Nachhaltigkeit". Auf den nächsten, der das versucht, zeige ich mit nacktem Finger und lache ihn aus.

Aber Jena hat auch Inseln der relativen Stabilität. Zeiss wirkt auf mich wie eine solche, das Unternehmen scheint wesentlich solider geführt und weniger auf Luftblasen gebaut. Meine Zeissianer haben jedenfalls keinen Grund zum Klagen und auch noch genug Zeit für ihre Familien. Über jenoptik hörte ich sowohl vernichtendes (von jemandem, der später zu Schott ging und nun in China arbeitet) als auch höchstes Lob (von jemandem, der von Schott kam). Und es gibt größere Mittelständler, die kaum jemand kennt, obwohl sie mitunter Alleinstellungsmerkmale auf dem Weltmarkt haben. Ich weiß nicht, wies z.B. bei Goepel zugeht, aber man hört nur gutes. Bei Alere war es zumindest vor Jahren wohl ähnlich.

Lea hat geschrieben:
ökosekteninitiierten Solarblase

Das waren keine "Ökosekten". Die Blase haben wie immer Finanzhaie aufgeblasen. Es war viel Geld zu "verdienen" dabei. Schnell. Viel. Sehr viel. Geil. Wachstum für immer. Ignoranz von Realität und "organischer Entwicklung". Die typischen Anzeichen für "Blase". Ökos haben daran üblicherweise nicht verdient.

Man hat dabei immerhin für nüchterne Klarheit gesorgt: selbst das ethischste von allem, nämlich der Versuch, ressourcenschonender mit unserem Planeten umzugehen, kann, wird und muß wirtschaftlich ausgeschlachtet werden bis nichts mehr geht. Weltweit. Die Solarfirmen verrecken auch in China, nicht nur in Deutschland und Europa. Warum? Weil nicht der reale Bedarf, gewachsen aus der Erkenntnis endlicher Ressourcen und der Achtung der Schöpfung den Bedarf brachte, sondern das in-Aussicht-Stellen von schnellen Gewinnen. Für die Unternehmen, aber auch für die Kunden. Die meisten derer, die eine Solaranlage auf dem Dach haben, sind vermutlich keine Klimaschützer, sondern Geldvermehrer. Da hilft auch der pseudo-Öko-Anstrich nichts.

Niemand braucht jemals wieder irgendwelche wohltätigen Aspekte in den Vordergrund zu rücken. Es ist da genauso wie bei den Krankenhäusern, deren Hauptaufgabe selbstverständlich der eingefahrene Gewinn ist. Schlimm ist nur, daß es immer noch an vielen Instituten Träumer gibt (ich kenne welche), die zwar nicht wissen, wer sie bezahlt und vielleicht auch nicht wofür, die aber ihr jahrelanges Meditieren im Labor als relevant betrachten, während in China bereits die übernächste Technologiegeneration in der wirtschaftlichen Ausbeutung ist.

Aber derzeit weilen doch hochrangige Deutsche in China. Ich vermute, die wollen unserer Rolle als Exportweltmeister neuen Anschub geben: Export deutscher Arbeitsplätze.

Lea hat geschrieben:
Der Verdienst ist nicht besser als woanders, denn man ist ja im Hier-hat-Zukunft-Tradition-Billiglohnland-Thüringen mit dem Unterschied daß die Lebenshaltungskosten viel höher sind. Das ist auch ein Vorteil den Gera hat.

Ja. Lebenshaltungskostenbereinigt bleibt nicht viel von Jenas Vorsprung. Zu wenig, um Fachkräfte, die wissen, was sie wert sind, zu halten. Eine Freundin ist Ärztin und war geschockt, wie niedrig die Bezahlung von Wissenschaftlern in der Industrie ist. Wenn man schon als Promovierter mit maximal 55 ... 60 kEUR Jahresbrutto rauskommt, und das erst nach jahrelanger Zugehörigkeit. Da sagt dann auch mal ein junger Diplomphysiker aus NRW trocken, meine Kumpels, die zu Philips sind, bekommen inzwischen das Dreifache.

Geld ist bei weitem nicht alles, aber wenn es zum Schmerzensgeld wird für die Lebenssituation, dann gehen die Forderungen massiv hoch, weil zerstörtes Leben kein Geld dieser Welt aufwiegen kann.

Lea hat geschrieben:
Mich zieht da jedenfalls nichts mehr dauerhaft hin, es ist einfach nur abstoßend, dann eher noch nach Gera, dort ist wenigstens die Infrastruktur noch solider und die Leute bodenständiger. Gera ist ein noch schlafender Riese, höchste Zeit zu investieren bevor es zu spät ist.

Welches in Gera schlummernde "Kapital" würdest Du dazu aktivieren wollen? Welches außer dem von mir weiter oben aufgezählten, denn das reicht bei weitem nicht. Und wie könnte das aus meiner Sicht wichtigste, nämlich ein kleinwenig von dem, was Jena zuviel hat, entstehen? Das sind Fragen, auf die dringend eine Antwort her muß und ich habe bislang keine.

Und nein, allein durch viel Industrie wird das nichts. Ich kenne niemanden der sagt, ich liebe Hanau, weil da Heraeus ist und so viele andere. Jena ist auch hier ein historisch bedingter Einzelfall und nicht kopierbar. Weder von Gera noch von anderen Städten.


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: Sa 01.Jun 2013 15:41 
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beim eichplatz ist noch nicht der letzte pups gelassen... vielleicht kommt doch ein finkid-megastore hin...
(PS: ist so ne edelmarke fürs kids, wo sich die muddis als was ganz besonderes fühlen! - und hat eine der ganz wenigen filialen in der bachstrasse(jena)! :shock: )

und ja, in jena ist das ordnungsamt wirklich etwas schräg drauf... habe mal in der lutherstrasse eingeparkt, wie eine frau mit größerem auto das halt bei einer "kleinen" parklücke so macht und war froh, überhaupt einen kostenfreien parkplatz ergattert zu haben. mein fehler: ich stand mit ca. 2cm meines rechten hinterrades auf dem bordstein! 15 euro wegen behinderung von fußgängern! :motz: :motz: :motz:


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: Sa 01.Jun 2013 19:50 
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Ja, die Edelkinder. Die gibt's auch überall, vielleicht bevorzugt in Jena und Berlin Prenzlauer Berg, beide Regionen weisen für mich sowieso gewisse Ähnlichkeiten auf. :D

Eine Freundin berichtete aus dem Kindergarten ihrer Tochter (in Jena) auch von einem Mädchen, die in diesem Alter schon ausschließlich Esprit-Klamotten trage. Es fällt einfach auf.

Elisabeth, wo hast Du das Foto von der neuen Fähre in Jena her? Das ist ja zu geil! Da hat sich jemand richtig Mühe gegeben.

Und weil ich den Thread ohnehin schon topic-technisch geschrottet habe (die Vorlage hast Du aber geliefert ;) ) schicke ich gleich mal paar Fotos von 1994 hinterher. Da trat nicht nur die Saale über die Ufer, sondern auch die Leutra und floß - ganz wie früher, als man sie zweimal wöchentlich zur Straßenreinigung (!) durch Jenas Gassen fließen ließ - freudig dorthin, wo es am tiefsten war. Und das war damals die frisch ausgehobene Baugrube der Goethegalerie, die sich über Nacht in ein herzallerliebstes Schwimmbad verwandelte. Dort ist heute der tegut-Markt drin. Damals trug der Uniturm auch noch Längsstreifen und wirkte deshalb schlank und nicht pummelig.

(Fotos Baugrube: D. Hasler, Fotos Saale: Autor unklar)

Fotos vom 1954er Hochwasser in Gera müßte ich mal bei meinem Vater abstauben.


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: Sa 01.Jun 2013 20:53 
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Das foto gab es bei facebook von so nem it-schnösel... ;-)

PS: esprit ist wie kik gegen finkid - das ist echt unterirdisch, was die für ihre klamotten verlangen, die weder schleuder-, noch trocknergeeignet sind... :bitter:


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: Sa 01.Jun 2013 22:08 

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Schlusslicht Gera? Von wegen! Heute stand im Jammertalkurier, daß die Kinder vom Kindergarten schon die "ersten frischen Honigbrote schlecken konnten". Also habe die Geraer Bienen schon gesammelt (was anderswo noch wächst), das Konzentrat zusammengesch..... und der Imker hat das schon in Gläser verpackt und jetzt schlecken die Kinder schon den Honig aus der Ernte 2013.
Nix wie mit den Tieren zur Grünen Woche nach Berlin. Das wird der Super-Mega-Knaller! Gera....die schlafende Riesenbiene.


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: Sa 01.Jun 2013 22:10 

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@elisabeth: Ich bin auch gegen die handgewebte Schurwolle der nordwestperuanischen Bergschnucke in diesen Unterhosen der Fa. findelkind. Unsere Enkelin greift immer bei KIG zu, wegen der Werbetante Werohna und wegen der schönen Plastebeutel.


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: Sa 01.Jun 2013 22:13 

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@Radiowafer: Ist das ein Fuchs im Wasser? Jena hat doch gar keinen Tierpark, oder ist das ein zahmer Hausfuchs?


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: So 02.Jun 2013 7:36 

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baumann hat geschrieben:
@Radiowafer: Ist das ein Fuchs im Wasser? Jena hat doch gar keinen Tierpark, oder ist das ein zahmer Hausfuchs?


bitte weitermachen. Es ist soooo luschdisch! :mrgreen: :banana: :bravo:

lacht der phoenix66


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: So 02.Jun 2013 11:50 
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früh um 7 bist du schon lustig??? oder eher immer noch... ;-)


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: So 02.Jun 2013 13:03 
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@ baumann

Vielleicht wars der "Schott-Fuchs"? Den gab/gibt es wirklich, mit kompletter Familie. Beinahe handzahm.

Oder hat es was mit dem Fuchsturm zu tun?


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: So 02.Jun 2013 13:29 

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elisabeth.die.erste hat geschrieben:
früh um 7 bist du schon lustig??? oder eher immer noch... ;-)


na bei dem Spaß hier spielt die Tageszeit keine Rolle. Ist auch gut gegen Regenkoller! :mrgreen: Mit der Beitragsanzeige kann etwas nicht stimmen. :?:

Gruß phoenix66


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 Betreff des Beitrags: Re: Schlußlicht
BeitragVerfasst: So 02.Jun 2013 15:36 
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Jetzt weiß ich, wer das war. Das war der Wüstenrot-Fuchs auf der Suche nach Bauspar-Land in Jena. Er fand dann einige Löcher und nannte sie Fuchslöcher.


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