Hab mir vor kurzem den
Oyo bei Thalia gekauft, gibts auch bei bol.de und buch.de, kostet überall 139,-€. Für die Technik zeichnet Medion verantwortlich, zusammengebastelt ist er natürlich in China. Akku ist ein fest eingebauter LiPo, geladen wird er über seine Micro-USB-Schnittstelle, über die auch der Datenaustausch mit dem Rechner funktioniert (der Oyo wird treiberlos als Wechsellaufwerk angezeigt). Die Laufzeit des Akkus wird immer sehr optimistisch angegeben, ich musste beim Sarrazin-Buch schon mehrmals nachladen, also nicht zu viel erwarten.
Das Display ist ePaper-typisch sehr scharf und stellt schwarz-weiss-grau dar, allerdings lässt der Kontrast zu wünschen übrig, gerüchterweise bietet der neue Kindle da wesentlich mehr. Relativ viel Licht wird also zum Lesen gebraucht, mein jahrealtes Handy (auch mit ePaper-Display) bietet einen weißeren Hintergrund. Gehäuse ist kaum noch drum herum vorhanden, was den Vorteil hat dass das Ding recht klein bleibt bei akzeptabler Bildschirmgroesse, andererseits wird die Haptik eingeschränkt da man kaum noch was zum Anfassen hat. Das Display ist nämlich auch noch berührungsempfindlich, damit wird die (eingeblendete) Tastatur bedient (z.B. um Lesezeichen zu setzen, Suchmasken oder den Webbrowser zu bedienen oder Seitenzahlen einzutippen). Mit einem Wisch kann auch umgeblättert werden, ein Druck auf die große Umblättertaste ist allerdings weniger anstrengend.
Den Webbrowser bitte gleich wieder vergessen, die Bedienung führt dermaßen zur Weißglut dass ein entspanntes Surfen nicht möglich ist. Keine Ahnung warum der überhaupt eingebaut wurde, scheint ein Abfall der eingebauten Webshopsoftware zu sein.
Nach dem Kauf zumindest bei Thalia muss man sich erstmal zwingend mit gültiger Adresse (die wird per Datenbank gegengeprüft) per WLAN im Online-Shop registrieren, sonst kann man mit dem Gerät nicht arbeiten. Das kann zu Hause passieren, hier in Gera hat der Arcaden-Thalia aber auch selbst WLAN, da kann man sich dazu direkt im Laden hinsetzen. Firmwareupdates per WLAN sind nicht anzuraten, ich hab das nach 40 Minuten abgebrochen, ein Thalia-Mitarbeiter hat mir das dann per SD-Karte eingespielt, da war das in 5 Minuten erledigt.
Mit der Registrierung kann man gleich eine Adobe-ID beziehen, nur damit lassen sich die DRM-verhunzten Kaufbücher von Thalia auch lesen. Die ID sollte dann gleich auf einen Rechner als Backup gesichert werden, da diese nur einmal pro Gerät vergeben wird. Ein bisschen umständlich das ganze, das ist aber der Preis für die relative Offenheit des Systems - mit dem Oyo können - anders als z.B. beim Kindle - auch DRM-vergewaltigte Bücher von anderen Anbietern gelesen werden, so diese die Adobe-ID unterstützen.
Am einfachsten funktioniert natürlich der Bezug über den eingebauten Thalia-Shop. Dafür ist ein Shop-Browser gleich eingebaut, über WLAN stöbert man hier im Angebot und kann sich die Bücher gleich runterladen und mit lesen anfangen. Bezahlt wird über deren Online-Shop z.B. per Bankeinzug.
Alles andere liest das Ding dann vom eingebauten Speicher oder einer µSD-Karte. ePub, TXT, PDF, HTML sind möglich, DOC, PS, RTF etc. versteht er nicht. Formatiert wird entweder nach Original-Layout, da bleibt die Seitenstruktur von z.B. Zeitschriften erhalten, oder der Oyo formatiert so um, dass der Text fliessend dargestellt wird, dann kann man am besten lesen. Im Original-Layout kann man zwar hineinzommen, aber es gibt nur einen festen Zoomfaktor, und das Hin-und-Her-Geschiebe ist grauenvoll lahm. Das Umformatieren klappt dagegen recht anständig.
Grauenvoll lahm ist auch die sonstige Bedienung, vom antippen des Bildschirms bis zur sichtbaren Reaktion vergehen schonmal mehrere Sekunden. Das Umblättern wiederum geht bei aktueller Firmware recht fix, früher war das auch mal grausam. Es scheint also noch Performance-Potential zu geben.
Für jedes Buch speichert der Oyo die zuletzt aufgeschlagene Seite, man muss also auch nach dem Ausschalten nicht mehr zur letzten Position vorblättern. Das funktioniert auch wenn man mehrere Bücher parallel in Bearbeitung hat.
Schriftgröße und -art können frei gewählt werden, allerdings stehen nicht für jedes Format alle Schriften zur Verfügung. Ich hab die kleinste Schrift eingestellt, liest sich wie Zeitung und man muss nicht ständig blättern. Den eingebauten Kippsensor hab ich wieder ausgeschaltet. Die Idee war wohl, dass man auch mal im Querformat lesen kann, aber der reagiert auch schon wenn man ihn ein wenig schüttelt und schaltet dann einfach mal um - was wieder viele Sekunden dauert. Und viele Sekunden zurück weil man ihn ja doch nicht umgekippt hat. Störend.
Richtig bugfrei scheint das System auch noch nicht zu sein. Der grosse Vorteil der ePaper-Technologie ist ja, dass das Bild auch ohne anliegende Spannung erhalten bleibt. Man könnte also nach dem Umblättern das System so einfrieren dass es praktisch keine Energie mehr aus dem Akku zieht, das scheint aber noch nicht zu funktionieren. Seit kurzem gibt es auch einen Standy-By-Modus (alles per Firmware nachgeruestet, die ersten Exemplare müssen echt grausame Bananenware gewesen sein ...), der den Namen verdient, hier wird wohl tatsächlich der Verbrauch auf knapp 0 reduziert - dummerweise "erwacht" der Oyo beim herumliegen einfach mal so und schaltet sich ein. Solange bis der Akku dann leer ist. Also muss man ihn nach dem Lesen immer ausschalten, was beim Neustart dann empfindlich länger dauert.
Ein großes Handycap stellt die Darstellung der aufgespielten Bücher dar. Hier gibt es nur eine stumpfe Liste die nach Autor oder Titel sortiert werden kann, nichtmal suchen kann man. Man ist dann also gezwungen seitenweise die Liste durchzublättern bis man manuell das gewünschte gefunden hat. Da normalerweise auch keine Dateinamen, sondern die in den PDFs enthaltenen Tags angezeigt werden, hat man auch keinen Einfluss darauf was genau wie in dieser Liste dargestellt wird. Das ist bei vielen Büchern echt furchtbar, ich empfehle hier die Dateien auf dem PC zu verwalten und immer nur das rüberzuspielen was man grade lesen will.
Eine Änderung dieser Liste steht aber immerhin auf der Agenda der Medion-Leute.
Kaufgrund für mich war das relativ große Display, der relativ günstige Preis und die relative Offenheit des Systems. Technisch spielt ein Kindle zwar eine Liga höher, ist allerdings auf den (vornehmlich wohl noch englischen) Amazonshop beschränkt. Mit den ganzen Krankheiten kann ich mich soweit arrangieren, es ist halt bei weitem nicht ausgereift aber es ist nichts was einem am entspannten Lesen hindern würde. Zum Testen hat der Thalia ein paar der Leser aufgestellt, da kann man nach Herzenslust experimentieren.
Ein paar Freaks haben auch schon das Betriebssystem geknackt, da ein ganz normales Linux drauf läuft kann man das Teil auch als Rechner nutzen - halt mangels Tastatur etwas eingeschränkt, aber schon dass es funktioniert lässt auf interessante Ideen hoffen.
