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Plaudereien im Dunstkreis von Untermhaus
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 Betreff des Beitrags: Untermhaus 1870
BeitragVerfasst: Mi 06.Jul 2011 17:19 
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Schon seit einigen Jahren bin ich im Besitz der Landes- und Volkskunde des Fürstenthums Reuß j.L. von G. Brückner aus dem Jahre 1870. Dort stehen viele interessante historische Fakten zur Geschichte des Reußenlandes drin. Einige ausgewählte Textpassagen zu Untermhaus habe ich euch nun mal abgetippt... - Ich stelle diese in mehreren Abschnitten ein... - Viel Spaß beim Lesen!

Teil 1:

Untermhaus (urkundlich 1191 Unterhaus, 1534 Underhaus und Unterheuser, im Volke "unterhaus"), großes Kirch- und Pfarrdorf, höfischer Vorort von Osterstein, Verkehrsvorstadt von Gera, mit demselben durch eine Kastanienallee verbunden, an Bevölkerung der zweite Ort im Landratsbezirle Gera und der elfte im Fürstenthume, am Fuße des Residenzschlosses und des durch Anlagen verschönerten Weinbergs, 1/8 Stunde nordwestlich von Gera, durch seinen von den Bergwänden und der Elster eingeengten Kiesboden größtentheils langschmal von S. nach N. längs der Elster, kleinerentheils von O. nach W. in die Kerbe (Schlucht zwischen dem Hain- und Weinberg) gebaut, hat vorzugsweise als Sitz von Hof- und Staatsbeamten, von Hofbediensteten, von 153 selbstständigen und 311 unselbstständigen Gewerbetreibenden und Fabrikarbeitern (90 unter 14 Jahren) im Ausdruck seiner Häuser und im Leben seiner Bewohner einen städtischen Character.
Es umfaßt 1 Kammergutsgebäude, 3 Beamtenbauten, 1 Kirche, 1 Schule, 2 Gemeinde-Armenhäuser, 1 Agnesschule, 1 Nachtwächter- und 1 Spritzenhaus, außerdem 101 Privathäuser mit 9 Scheunen und 10 Pferde-Viehställen, in 395 Familien 1731 (1861: 1257) Seelen und an Vieh 54 Pferde, 33 Riner, 109 Schweine, 1 Esel, 16 Ziegen, 30 Gänse, 16 Bienenstöcke.
Zwei Hauptstraßen durchschneiden den Ort rechtwinklig, eine längere (jetzt Staatsstraße) von S. nach N., eine kurze von O. nach W.; außerdem neben dem Emiliensteig (früher auch noch der sog. Treppenweg) ein bequemer Fahr- und Fußweg nach dem Osterstein, die mit der Längenstraße parallelen Au- und neue Straße und die zwei Gäßchen Reitsteg und Bach.
Unter den Häusern sind 3 drei-, 90 zwei- und 12 einstöckig, 99 mit Ziegeln und 4 mit Schindeln gedeckt.
Aus den Theilen Untermhaus, Gries, Aue, neue Straße, Reitsteg und Bach erwachsen und bestehend, hat der Ort in dem eigentlichen Untermhaus seinen Kernpunkt, der mit der Reichsburg, dem Hause Osterstein, gleich alt ist und dessen Vorburg oder festes Vorwerk bildete, Burgmannen zur Hut und Wohnung übergeben und im Gegensatze zum Hause auf der Höhe das Unterhaus genannt (Die Form Untermhaus "unter dem Hause" Osterstein ist späteren Ursprungs und entspricht nicht den ursprünglichen Verhältnissen).
Das Vorwerk selbst stand auf der Stelle des Kammerguts, das zum Theile auf den alten Vorwerksmauern ruht.
Neben demselben erstanden frühzeitig nicht nur eine Kapelle, Mühle und Schenke, sondern auch Fröhner- und Handwerkerhäuser.
Ebenso war nördlich vom Vorwerke auf dem "Gries" an der Elster gleich anfänglich ein herrschaftlicher Zimmermannshof angelegt, um den allmählich eine Häusergruppe erwuchs, welche den Namen Gries oder Zimmerhaus ...führte.
1851 wurde Gries sammt den Nebentheilen mit Untermhaus zu einer Gemeinde vereinigt.
Bis 1855 standen beide Orte nebst Cuba unter dem Justizamte zu Untermhaus, kamen nun nach dessen Aufhebung unter das zu Gera.
Auch die Oeconomie des aus dem alten Vorwerke hervorgegeangenen Kammerguts, das Heinrich XVIII. nach dem Brande um 1729 neu erbaut hatte, wurde bald nach 1850 aufgehoben, indem man die Schäferei nach Bieblach that und die Felder auf dem Steinertsberg mit dem Kammergut Laasen vereinigte, die übrigen Felder und die Auwiesen theils verpachtete, theils für herrschaftliche Zwecke bebutzte, die Gutsgebäude aber zu Geschäftsräumen der fürstlichen Kammer und zu Wohnungen einiger Kammerbeamten machte.
Das ehemalige fürstliche Amthaus ist jetzt der Sitz eines fürstlichen Beamten.


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 Betreff des Beitrags: Re: Untermhaus 1870
BeitragVerfasst: Mi 06.Jul 2011 17:57 
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Teil 2:

Die Kirche des Orts, dicht an der Elsterbrücke gelegen, hat ein alterthümliches, ehrwürdiges Gepräge. Ihr Schiff und massiver, spitz gegiebelter Thurm stammen aus dem 15.Jahrhundert, ihr gewölbter Altarbau aus viel früherer Zeit.
Ursprünglich war sie eine der Maria geweihte Wallfahrtskapelle, blos aus dem Altar-Kreuzgewölbe bestehend, angeblich von Heinrich dem Reichen von Weida 1193 oder 1206 erbaut und 1440-1500 von den Landesherren von Gera zur Kirche erweitert. In ihr sind zwei alte Denkmäler: 1) eine in Holz geschnitzte, von Würmern zerfressene, verstümmelte Maria, neben dem Altare in einer eisenvergitterten Mauervertiefung aufbewahrt und unter dem Namen "Puppeleine Puppe, Poppe" oder auch Bornkindel bekannt. Sie soll aus Pottendorf nach Untermhaus versetzt worden sein. Selbst den pottendorfer Pfarrer läßt die Sage hierher flüchten und giebt ihm ein Grab in der Kirche. Einzelne Häuser in Zschochern und die umliegenden Orte hatten Geldzinsen und Brote, "Puppenzins" genannt, zum Besten der Armen und Hospitäler und eine Henne an den Pfarrer zu Gera zu leisten; auch sammelte eine in der Kapelle aufgestellte "Jungfernbüchse" die Gaben der Gläubigen. 2) ein alter Altarschrein mit Schnitzwerk und Gemälden, nach Andeutung der Wappen von den Familien von Kuhdorf und Waldheim gestiftet. Der schöne, unten viereckige, nach oben zugespitzte Kirchthurm trägt zwei Glocken mit Inschriften, die größere von 1733, die kleinere von 1738. Um das Kirchlein lag früher, wie Grundgrabungen daselbst dargethan, ein Friedhof, der indeß wahrscheinlich blos dem Vorwerke und dem Osterstein zustand. Der Ort selbst begrub stets und begräbt noch seine Todten in Gera und zwar geht der Leichenzug durch die Stadt. Anfänglich wurde die Kirche von Gera aus besorgt. Nach der Reformation benutzte man sie nur zu Leichenbegängnissen, zeitweilig auch zu Taufen und Trauungen. 1726 erhielt sie Nachmittagspredigten an Sonn- und Festtagen und endlich 1736 wurden unter Heinrich XXV. die vorher nach Gera in die Hauptkirche gepfarrten Gemeinden Untermhaus, Gries und Cuba von der Stadt getrennt, zu einer eigenen Parochie vereinigt und einem besonderen Pfarrer, dem Hofprediger auf Osterstein, überwiesen. Zugleich wurde die Kirche reparirt, verschönert und mit Orgel (1738), Uhr (1739) und mit Glocken versehen. Ebenso fanden 1817, 1832 und 1866 an Fenstern, Uhr und Orgel Erneuerungen statt. Wie die Kirche auf Osterstein, so diente die zu Untermhaus zur Garnisionkirche, jene bis 1802, diese bis jetzt. Von 1802 bis 1852 war der Osterstein nach Untermhaus gepfarrt und hier der Gottesdienst vom Zucht- und Waisenhausprediger als Hofpredigervicar besorgt; 1854 überkam der erste Stadtdiacon als Hofprediger auf Osterstein auch das Pastorat zu Untermhaus. Seine Wohnung ist die ehemalige Fasanerie. Die Kirchenbücher reichen bis 1736 zurück. Das Kirchenvermögen beträgt circa. 2212 Thlr.


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 Betreff des Beitrags: Re: Untermhaus 1870
BeitragVerfasst: Mi 06.Jul 2011 18:21 
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Teil 3:

Anfänglich schulte die Parochie nach Gera, gewann aber schon zu Anfang des 17.Jahrhunderts ein Präceptorat in Untermhaus, dann 1696 in dem Hofcantor ihren besonderen Lehrer und in dem sog. Jägerhofe (der nachher sog. alten Schule, jetzt Armenhaus) ihre Schulräume. 1824 wurde zum Besten der Parochialgemeinden die vormalige Fasanerie beim Küchengarten, die eine Zeit lang einem Förster, darauf einer Spinnfabrik eingeräumt war, dem Hofprediger, dem Hofcantor und der Schule überlassen. Wegen der stark angewachsenen Zahl der Schulkinder mußte 1848 ein Hilfslehrer angestellt und endlich 1864 der Bau eines Schulhauses, vom Fürsten Heinrich LXVII. unterstützt, ausgeführt werden.
Seit 1865 hat die Schule drei Lehrer. Gegenwärtig 320 Schüler. Für Kirche, Schule und Arme stiftete die 1829 verstorbene Gemahlin Heinrichs XXX. ein Kapital von 2500 Thlr. Am 10.November 1869 begründeten der regierende Fürst und dessen Gemahlin allhier für Untermhaus und Cuba eine Kleinkinderbewahranstalt unter dem Namen Agnesschule, mit der die von den Landesregenten 1867 gestiftete Lehranstalt für weibliche Dienstboten verbunden worden ist.
An Behörden befindet sich hier ein Rentamt (bis vor kurzem auch ein Kammer-Commissariat). Daselbst 1 Privatgasthof zum Mohren und als Schenke der Fürstenkeller bei der Brauerei, 1 Mühle (Hausmühle) mit Oel- und Schneidemühle, 1 Dampfmühle seit 1869 und 1 Feuerspritze, mit Cuba gemeinschaftlich. Der Gasthof und die Mühle gehörten vordem zum Vorwerke. Die Gemeinde mit 1 Vorstande und 1 Gemeinderathe von zwölf Gliedern, besitzt, da sie auf herrschaftlichem Boden erstanden ist, keine Flurmarkung. Ihr Grundeigenthum, 3 5/6 Morgen groß und 7500 Thlr. werth, besteht in Communalgebäuden, freien Plätzen, Ortsstraßen und 3 Communicationswegen. An Kapital hat sie circa. 1000 Thlr., an Schulden circa 6000 Thlr., wovon ein Theil auf Cuba kommt; ihre Jahresausgabe beträgt 600 bis 700 Thlr. Der Privatbesitz umfaßt blos 41 ledige Grundstücke, deshalb hier blos 2 Bauern; auch treiben nur 5 Familien ausschließlich, 2 nebenbei Feldwirtschaft, meist auf auswärts liegendem Felde. Dagegen ist außer den Beamten die Mehrzahl der Bewohner dem Gewerbe, Handwerke und Taglohn zugewiesen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Untermhaus 1870
BeitragVerfasst: Mi 13.Jul 2011 11:57 
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Teil 4:

Eine Porzellanfabrik, Brauerei und Harmonikafabrikation, alle mit Absatz in die Nähe und Ferne, beschäftigen manche Familien; außerdem finden viele in Gera ihr Brod. Mehr dem Ortsbedarf dienen 16 Maurer, 7 Schneider, 6 Bäcker, Schuhmacher und Zimmerleute, 5 Fleischer, 4 Weber, 3 Korbmacher und Sattler, 2 Fischer und Tischler, 1 Gärtner, Gerber, Glaser, Goldarbeiter, Klempner, Schlosser, Seiler und Zinngießer. Daneben 8 Handeltreibende und 3 Hauderer (Lohnkutscher). Im Ganzen nährt sich der Ort ziemlich befriedigend.
Zwar hier nur 10 Kapitalisten, doch auch keine auffallende Verschuldung bei den Uebrigen. 7 Familien bauen ihr Jahresbrod. Almosen empfangen 25, davon 20 in den Armenhäusern wohnhaft. Daneben 10-15 Procent außereheliche Geburten.
Den Gesundheitszustand brachte in früherer Zeit die Pest, im Herbste 1866 die Cholera in Üblen Ruf. Uebrigens war der Ort öfters in Wassernöthen (1709 riß das Hochwasser einige Häuser weg) als in Feuersgefahr. Für die Ortscultur besteht seit 20 Jahren eine Gemeindebibliothek von circa 150 Bänden.
Schöne Aussichten gewähren der Hain- und der Weinberg, an dessen Fuße sich der Militärschießplatz befindet. Lehn- und Gerichtsbarkeit zu Untermhaus gehörten früher dem fürstlichen Kammergut und Justizamte. Zu den Annehmlichkeiten von Untermhaus gehört der jenseits der früheren hölzernen, seit 1863 eisernen Elsterbrücke gelegene, mit Untermhaus 1780 durch eine Kastanien- und Lindenallee verbundene herrschaftliche Küchengarten, der 1729 von Heinrich XVIII., zwei Jahre vor der Errichtung der Fasanerie, im französischen Stile parkähnlich angelegt wurde.
Anfänglich von der Herrschaft benutzt, 1802 jedoch dem Publikum geöffnet, dient er einer besonderen Gesellschaft zu ihrem Locale und bildet einen Luftort der Umgegend. Ein Stück des Küchengartenbodens, zum alten Haingute gehörig, war eine herrschaftliche Wiese und hieß "Schwarm".


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