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BeitragVerfasst: Do 13.Okt 2005 13:53 
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85 Jahre Stadtbibliothek Gera

In diesem Jahr feiert die Stadt- und Regionalbibliothek Gera ihr 85jähriges Jubiläum. Anlass genug, einen kurzen Blick auf die Geschichte dieser vielfrequentierten Institution zu werfen. Am 20. Oktober 1920 wurde die "Freie öffentliche Landesbücherei" in Gera in der Goethestraße 1a gegründet. Wie der Name schon andeutet, erfüllte die Bibliothek einen hohen Anspruch. Sie war nicht in erster Linie als Stadtbibliothek, sondern Bibliothek für den gesamten Ostthüringer Raum konzipiert. Dies hängt damit zusammen, dass Gera zunächst - in der kurzen Epoche zwischen dem Ende des I. Weltkrieges und der Bildung des Landes Thüringen - die Hauptstadt des "Volksstaates Reuß" und nach Gründung des Landes Thüringen dessen größte Stadt war. Die "Freie öffentliche Landesbücherei" fühlte sich somit für die Versorgung des gesamten Staates mit moderner Literatur verantwortlich - die wertvolle ältere Literatur aus dem ehemaligen fürstlichen Gymnasium hatte man nach Greiz geschafft, wo eine historisch ausgerichtete "Landesbibliothek" mit wissenschaftlichem Anspruch entstehen sollte. Was aber zur gleichen Zeit in Coburg, Detmold, Hannover und anderen ehemaligen kleinen Residenzstädten klappte, misslang in Greiz weitgehend. Eine genaue Aufarbeitung der Ursachen steht noch aus.
Die in Gera neugegründete "Freie öffentliche Landesbücherei" nahm infolge der starken finanziellen Unterstützung durch das Land Thüringen, in dessen Trägerschaft sie stand, einen erfreulichen Aufschwung. Allein in den ersten 3 Jahren konnte man über 6.000 Titel neu erwerben. Zusätzliche 1.000 Titel stammten aus anderen Quellen: rund die Hälfte davon waren Geschenke Gustav Hennings, und 200 Bände stammten aus der Wirtschaftsbücherei des Geraer Gewerbevereins. Diese positive Entwicklung bricht allerdings mit der Weltwirtschaftskrise ab. Unter dem Nationalsozialismus werden wie überall sämtliche missliebigen Bücher, rund 800 Titel, ausgesondert und nach und nach durch "völkische" Literatur ersetzt. Der II. Weltkrieg trägt zu einem weiteren kontinuierlichen Niedergang der Bibliothek bei. Zählte die Bibliothek vor dem Krieg immerhin 15.000 Bände, so waren es bei Kriegsende nur noch die Hälfte.
Ebenso wie in den Westzonen werden unter sowjetischer Besatzung dann ohne Verzug alle nationalsozialistischen Bücher ausgesondert, so dass man wieder fast beim Nullpunkt anfangen muss. Entsprechend dem starken Wert, den man der Bildung der Bevölkerung im sozialistischen Sinne beimisst, wird die Bibliothek von nun an wieder systematisch von staatlicher Seite gefördert. Sie erhält alsbald den Status einer "Stadt- und Bezirksbibliothek", dazu zahlreiche Zweigstellen im Stadtgebiet und die Oberaufsicht über die kleineren Bibliotheken im Bezirk. Es entsteht Zug um Zug ein opulentes und wohldotiertes System von Bibliotheken zur Versorgung der Bevölkerung im gesamten Bezirk, das 1976 mit der Erhebung der Geraer Bibliothek zur "Wissenschaftlichen Allgemeinbibliothek" seinen konsequenten Abschluss findet. Dem Ganzen haftet nur ein wesentlicher Fehler an: Die Bibliothek kann in keiner Weise frei über die Literaturauswahl entscheiden, und den Lesern wird die sozialismuskritische Literatur des Westens konsequent vorenthalten. Und ohne es wirklich zu merken, versäumt man auch bei den wissenschaftlichen Werken den Anschluss an das Weltniveau.
Mit der Wende verliert die Bibliothek ihren überragenden formellen Status. Es gelingt ihr auch nicht, in die Trägerschaft des wiedergegründeten Landes Thüringen überzugehen. Allerdings fördert das Land Thüringen in großzügigster Weise die Neuausrichtung des Bestandes, so dass er jetzt weitgehend den gewandelten Ansprüchen der Bevölkerung entspricht. Allerdings musste zugleich das Netz der Geraer Stadtteilbibliotheken radikal verkleinert werden, und zahlreiche kleinere Bibliotheken in den neugebildeten Landkreisen wurden gänzlich geschlossen. Wissenschaftliche Werke können aufgrund der Finanzsituation und der ungeheuren Zunahme der Buchproduktion (in der jetzigen Bundesrepublik erscheinen mehr als 10mal soviel Titel wie in der ehemaligen DDR!) in Gera praktisch nicht mehr angeschafft werden. Hierfür ist jetzt die Fernleihe zuständig, mit deren Hilfe man in kürzester Zeit Spezialliteratur aus allen anderen deutschen Bibliotheken und weltweit besorgen kann.
Für die Zukunft ist es Ziel, den Buchbestand der Bibliothek ständig aktuell zu halten und diejenige moderne Technik anzuschaffen, die notwendig ist, die explosionsartig zunehmende Zahl an digitalen Informationen und Medien - z.B. in der Gestalt von DVDs - für die Bevölkerung Geras und Ostthüringens bereitzustellen.
Anlässlich des 85jährigen Bestehens wird es am Donnerstag, den 27. Oktober, in der Bibliothek eine fröhliche Geburtstagsfeier und eine kleine Ausstellung mit Exponaten aus 8 1/2 Jahrzehnten geben.

Quelle: gera.de am 12.10.05


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