So, jetzt habe ich mir mal die mehr als zwei Stunden Stadtratssitzung angesehen.
HaPe hat geschrieben:
d.h. nun müssen die städtischen Verkehrsbetriebe wahrscheinlich vorerst ganz auf den Kauf neuer Straßenbahnen verzichten, weil die Mehrheit des Stadtrats am Donnerstagabend an seinem Kauf-Beschluss vom Juni festgehalten hat, obwohl dieser vom Landesverwaltungsamt als rechtswidrig und unwirtschaftlich eingestuft wurde.
Das dürfte weniger zu befürchten sein, denn diese werden ja auf der Grundlage eines Beschlusses im Dezember beschafft und dieser hat ja unbestritten Gültigkeit.
Zitat:
Es waren Fördermittel, aber 6 neue Bahnen wurden nur genehmigt = zu unwirtschaftlich in der Herstellung,
Wie man auf dieses schmale Brett kommt, ist mir schleierhaft.
Gera hat eine Spurweite von 1000mm. Dieselbe Spurweite verwenden Erfurt, Jena, Plauen, die Kirnitschtalbahn, Halle, Frankfurt an der Oder, Zwickau, Mannheim, Naumburg, Brandenburg, Schöneiche-Rüdersdorf, Augsburg, Bielefeld, Bochum, Essen, Mülheim, Oberhausen, Würzburg, Cottbus, Heidelberg, Krefeld, Mainz, Ulm, Nordhausen, Halberstadt, Gotha oder Görlitz.
Nun ja, Naumburg oder die Kirnitschtalbahn werden wahrscheinlich in den kommenden Jahren nicht so viele neue Bahnen anschaffen. Aber ich verstehe nicht, was der GVB-Geschäftsführer da von "zusätzlichen Entwicklungskosten" derherredet, wenn die nächsten 6 Bahnen erst irgendwann später einmal beschafft werden sollten. Welche Entwicklungskosten fallen denn überhaupt an, wenn man Fahrzeuge in einer so weit verbreiteten Spur beschaffen will?
Auf Grund der weiten Verbreitung dieser Spurweite sollte es die gewünschten Bahnen quasi von der Stange geben!Zur Erinnerung:
Gemeinsam mit Darmstadt wurde damals 2006 eine gemeinschaftliche Beschaffung organisiert, um die Bahnen für die Linie 1 zu beschaffen und den Breis zu drücken. Warum sollte sowas heute nicht möglich sein?
Zitat:
Es war eine Sondersitzung und es ging einzig darum wieviele neue Straßenbahnen Gera nun bekommen würde, 6 oder doch 10.
Zu dieser Frage kamen im Wesentlichen nur von zwei Rednern fundierte Argumentationen, die ordentlich mit Zahlen hinterlegt waren, Dr. Porst und Herr Fröhlich. Bei den anderen Rednern überwog aus meiner Sicht die Rechthaberei.
Da geht es zum Einen um die Frage, nach welchem Plan die Anzahl der zu beschaffenden Bahnen ermittelt werden soll. Alle berufen sich auf einen Nahverkehrsplan, der schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Dieser wurde immer jeweils Jahr für Jahr verlängert und wird mutmaßlich auch in diesem Jahr für 2021 verlängert. Dieser Nahverkehrsplan ist also gegenwärtig geltendes Recht. Ob Gera in kommenden Jahren größer wird, mehr Fahrgäste haben wird und sich mehr Nahverkehr leisten kann und will, darüber kann man nur spekulieren. Nach dem Erleben dieser Stadtratssitzung wird wohl kaum jemand davon ausgehen, dass in dieser Legislaturperiode ein Nahverkehrsplan mit mehr Bedarf beschlossen werden wird.
Dr. Porst rechnet es nachvollziehbar vor: Für den 7,5-Minuten-Takt der Linie 3 braucht man 15 Bahnen zuzüglich 20% Reserve.
Wenn also 18 neue Bahnen gebraucht werden und 12 Stück aus 2006 schon im Depot stehen, müssen nur 6 Bahnen angeschafft werden.Ja an Schultagen ist in den Spitzenverkehrszeiten eine Verdichtung auf 5-Minuten-Takt vorgesehen. Diese Verdichtung (und nur diese) lässt sich allerdings noch mit den vorhandenen Tatrabahnen und deren Restlaufzeit realisieren. Den Schülern müsste dann zugemutet werden, dass sie in die Tatrabahnen hoch steigen und den Rollstuhlfahrern kann in den Spitzenzeiten nicht jede Tür niederflurig angeboten werden. Vielmehr mutet man diesen Menschen zu, mit dem Rollstuhl oder Kinderwagen bis zum niederflurigen Zwischenstück der Tatrabahn zu fahren oder alternativ 5 Minuten auf die komplett niederflurige Bahn zu warten.
Herr
Nils Fröhlich wartet mit konkreten Zahlen für die Beschaffung und die Reparatur von Straßenbahnen auf. Dankesehr!
Praktisch haben diese Zahlen einen Haken: Wenn die Tatras nach der Anschaffung von neuen Bahnen den größten Teil des Tages im Depot stehen und nur morgens und abends kurzzeitig zur Taktverdichtung eingesetzt werden, dann verschleißen diese Fahrzeuge auch weniger und die in der Tat hohen Instandhaltungskosten fallen nur noch seltener an. Nach Aussage von Herrn Rühling hat der GVB bereits jetzt schon Ersatzteile in größerem Umfang aufgekauft und auf Lager (Interview im ersten Beitrag verlinkt). Nur wenn die Tatras noch weiter in einem überschaubaren Einsatz bleiben, wird dieses Kapital, das gegenwärtig im Lager liegt, noch einen Nutzen entfalten können.
Mein Fazit: Der Argumentation von Dr. Porst kann ich uneingeschränkt folgen.
Der ebenso sachlichen Argumentation von Herrn Fröhlich mag ich nicht folgen, denn
- wir würden ohne Not auf die Restlaufzeit des vorhandenen Fuhrparks verzichten, wenn dieser verschrottet wird. Kann und will sich unsere Stadt diesen Luxus leisten?
- Wir würden die bereits beschafften Ersatzteile im Lager entwerten, die dann ebenfalls nicht mehr gebraucht würden.
- Ich gehe nicht davon aus, dass der Stadtrat in den kommenden Jahren mehr ÖPNV in den Nahverkehrsplan schreiben will und sich die Stadt mehr ÖPNV leisten kann oder muss.
- Würde die Stadt mehr als 6 zusätzliche Bahnen anschaffen, so würden die zum Teil im Depot herumstehen. (Drei von ihnen würden ein paar Stunden den Takt verdichten, drei Weitere komplett still stehen.)
Wenn die neuen Fahrzeuge in der ersten Zeit nicht intensiv genutzt werden, sondern zum Teil im Depot herumstehen, so treten manche Defekte womöglich erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist auf. Also privat würde ich keinesfalls so entscheiden. - Wenn mehr Bahnen angeschafft werden, als aktuell gebraucht werden, wird wieder totes Kapital ins Depot gestellt. Das darf sich eine finanziell angeschlagene Stadt wie Gera nicht leisten!
- Dass weitere Bahnen, die in späteren Jahren anzuschaffen sind, wesentlich über die normale Inflation hinaus teurer werden, kann ich mir angesichts der Verbreitung der 1000mm-Spurweite nicht vorstellen. Behauptete Entwicklungskosten kann ich nicht nachvollziehen.
Pfiffikus,
dem angesichts dieser Argumente völlig schnuppe ist, wie die Leute aus der AfD abstimmen