pfiffikus hat geschrieben:
Pfiffikus,
der sich fragt, was damals unternommen worden ist, als Gera abgekoppelt wurde
Nichts. Das war auch eine andere Landesregierung. Der war Schienenverkehr aus meiner Erinnerung heraus ohnehin recht wurscht - und damit spiegelte sie vermutlich auch nur das, was die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit dazu zu sagen hatte. Wir sind hier in Ostdeutschland und nicht in BaWü oder gar in der Schweiz. Wir müssten uns aufgrund akuten Nachholebedarfs noch paar Jahrzehnte mit dem Auto befassen, bevor wir wieder etwas freier davon werden. "Müssten", weil uns geltende Naturgesetze diese Zeit vermutlich nicht gönnen werden.
Aber passt schon. Mindestens einmal im Monat kann man in der Zeitung lesen, dass wieder x Mio EUR in Jena an irgendwelche Forschungsprojekte gehen. Das sind alles letztlich Steuer-/Fördergelder, ohne die etliche Menschen weniger ohne sogenannten "hochqualifizierten Job" wären. Diese Finanzspritzen müsste man mal zu Jahressummen zusammenzählen. Kennt man ähnliches von Gera? Nein, auch nicht unter der aktuellen Landesregierung, wir kennen höchstens einen in letzter Minute genehmigten Haushalt inkl. vorherigen - sorry - Erpressungen. (Ganz abgesehen davon, dass selbst mit sogenannten "hochqualifizierten Jobs" die zugehörigen Leute nicht nach Gera ziehen würden, aus völlig anderen Gründen und es somit auch wiederum egal ist.)
Jena ist ein Markenartikel und den muss man pflegen, auch wenn es teils nur Imagepflege ist. Das Märchen von den Forschungs- und Geschäftsreisenden, die da angeblich täglich massenhaft per Bahn aus aller Welt anreisen, möchte ich nach meinen Jenaer Jahren nicht unterstützen. Einen täglichen Pendler Leipzig-Jena-Leipzig hatten wir, und das fände ich sowohl im ICE als auch in einem Regionalzug als grenzwertig. Ein-ex-Kommilitone pendelte täglich in zwei Regionalbahnen Jena-Halle-Jena, aber der war als Theoretiker ohnehin hart im Nehmen. Ich galt als Wochenend-Bahnpendler Jena-Berlin-Jena schon als obskur. Die zahlreichen Kollegen, die mangels anständigen Wohnraumes in Jena nur ein Zimmer hatten, pendelten am Wochenende natürlich mit dem Auto nach Dresden, Hessen oder Franken. Nur sehr selten hatten wir ausländische Geschäftsleute, die ohne Auto in Deutschland unterwegs waren und per Bahn dann nach Berlin oder Frankfurt zum Flughafen mussten. Und da war es schon peinlich, sie am Westbahnhof in einen dreckigen, brüllend lauten und völlig überfüllten roten Kippelzug zu stopfen.
Wäre der jetzige Zustand damals eingetreten, hätte das für mich schon Konsequenzen gehabt, aber im Wesentlichen beim Komfort. Ich wäre weiterhin Montag früh schlaftrunken gegen 6:30 in Berlin Südkreuz in einen ICE gestiegen, hätte aber in Leipzig umsteigen müssen, statt bis Jena Paradies durchfahren und ggf. pennen zu können. Die Fahrzeit hätte sich natürlich auch verlängert und im Falle einer verspäteten Ankunft in Leipzig wäre der Anschluss halt weg gewesen - das ist einer der Nachteile, die man mit durchgehenden Zügen nicht hat. Hätte der Chef auf eine bestimmte späteste Ankunftzeit bestanden, hätte das u.U. sogar zur Folge gehabt, statt 4 Uhr eine Stunde eher aufzustehen.
Schauen wir doch mal:
Montag 4.12.2017
Berlin Südkreuz ab 6:34 ICE 1505
Jena Paradies an 8:49
Fahrzeit 2h:15min
Montag, 19.2.2018
Berlin Südkreuz ab 6:37 ICE 1505
Leipzig Hbf an 7:42 Gl. 11 (das war auch schon mal schneller!)
Leipzig Hbf ab 7:51 SE 74522 (Abellio) Gl. 10 -> gegenüber, ohne Rennerei, sicher kein Zufall
Jena Paradies an 9:15
Fahrzeit 2h:38min
Man könnte dann auch mit der tollen neuen Schnellfahrstrecke via Erfurt fahren:
Berlin Südkreuz ab 6:08 ICE 1001
Erfurt Hbf an 7:40
Erfurt Hbf ab 7:50 RE 3655
Jena West8:18
Fahrzeit 2h:10min
Den Fahrzeitgewinn von satten 28 Minuten (bzw. deutlich weniger beeindruckenden 5 Minuten verglichen mit derzeit) erkauft man sich beim vollen Flexpreis 2. Klasse aber mit einem Aufschlag von 18 (!) EUR. Fett. Ist halt ein knallharter Umweg. Fährt man zu anderen Zeiten via Halle nach Jena Paradies, ist man verglichen mit heute nur max. 10 Minuten später da und zahlt abgesehen von den üblichen Preiserhöhungen nicht mehr.
Schauen wir uns mal Berlin-Gera an:
Montag 4.12.2017
Berlin Südkreuz ab 6:34 ICE 1505
Leipzig Hbf an 7:43 Gl. 10
Leipzig Hbf ab 7:56 EB 80841 Gl. 6 -> man muss vor und rüber oder runter, rüber und rauf
Gera Hbf an 8:59
Fahrzeit 2h:25min
Montag, 19.2.2018
Berlin Südkreuz ab 6:37 ICE 1505
Leipzig Hbf an 7:42 Gl. 11
Leipzig Hbf ab 7:56 EB 80841 Gl. 6 -> man muss vor und rüber oder runter, rüber und rauf
Gera Hbf an 8:58
Fahrzeit 2h:21min
Fahrten von Berlin über Erfurt nach Gera kann man sich knicken, die dauern meist 36 Minuten länger und kosten 11,50 EUR mehr. Man hat also absolut nix von der neuen ICE-Strecke, aber es bleibt ansonsten wenigstens beim bekannten Angebot.
Aschemännl hat geschrieben:
Man sollte sich schleunigst um eine gute Anbindung an das Leipziger Verbundnetz kümmern.
Einfach mal Gera-Zeitz-Leipzig ertüchtigen. Da wären so einige Minuten ohne viel Aufwand, also auf bekanntem Streckenverlauf zu holen. Bissl was hat man erneuert im vergangenen Jahr, aber es schunkelt und rumpelt schon sehr gemächlich dahin. Ansonsten wäre Anbindung an das Verbundnetz ohnehin erst nach Elektrifizierung Gera-Leipzig drin, und über die spricht niemand. Da träumt man nichtmal drüber. Es wäre aber sehr sinnvoll, Saalfeld-Gera-Leipzig auch unter den Fahrdraht zu bringen.