Gemischte Gefühle zum 1. Spatenstich für Stadtbahnprogramm in GeraDie zweite Ausbaustufe im Geraer Stadtbahnprogramm ist offiziell an der zu sanierenden Trasse nach Bieblach/Ost gestartet. Die Finanzierung ist noch nicht gesichert. Der Mutterkonzern des Verkehrsbetriebs ist klamm. Stadt verhandelt weiter wegen Kredit für den GVB.
Gera. Sektgläser wurden gereicht und Roster gebraten gestern Nachmittag in Tinz am Abzweig der Straßenbahn nach Bieblach/Ost. An der zu sanierenden Trasse wurde mit einem symbolischen Spatenstich pünktlich zu dem im Dezember 2012 angekündigten Termin die zweite Ausbaustufe im Stadtbahnprogramm des Geraer Verkehrsbetriebs gestartet.
Von "gemischten Gefühlen" sprach der Geschäftsführer des Geraer Verkehrsbetriebs (GVB) Ralf Thalmann, ehe er mit Thüringens Finanzminister Christian Carius (CDU), Referatsleiter Dieter Glück vom Bundesverkehrsministerium und Geras Oberbürgermeisterin Viola Hahn (parteilos) zum Spaten griff. Denn die Finanzierung ist bis jetzt nicht gesichert für das Vorhaben. Zu diesem gehören die Sanierung der Trassen nach Bieblach/Ost, in der Wiesestraße und Lusan, die vorgezogene und längst abgeschlossenen Sanierung des Gleises Hinter der Mauer und der Neubau der Trasse für die Linie 4 nach Langenberg.
Bund und Land haben ihre Hausaufgaben für die Finanzierung erfüllt. Die Fördermittel für dieses Jahr für die insgesamt 56 Millionen Euro teure zweite Stadtbahn-Stufe stehen seit gut einem Monat bereit. Das sind 9,4 Millionen Euro für 2013 von insgesamt 29 Millionen Euro Förderung bis 2015. Der Eigenanteil, den der GVB zu zahlen hat, ist noch nicht gesichert. Thalmann hofft, dass bis Ende April die nötigen 25 Prozent Eigenanteil zur Förderung organisiert werden. "Wir verhandeln weiter um Kredite", sagte die Oberbürgermeisterin auf OTZ-Nachfrage. Es gibt Banken, die sie gewähren würden, wenn die Stadt die Bürgschaft für die Kredite übernehme. Diesem kreditähnlichen Geschäft müsste der Stadtrat zustimmen. Und das Landesverwaltungsamt müsste es genehmigen.
"Wir wollen wegen der Genehmigung mit dem Landesverwaltungsamt sprechen", sagte die OB. Ob es die Genehmigung erteilen wird, ist bisher offen, denn die Kreditbürgschaft könnte zu einer zusätzlichen Belastung für die klamme Stadt werden, die seit zwei Jahren mit einem Haushaltssicherungsprogramm zum Sparen gezwungen ist. Vom Mutter-Konzern, der Stadtwerke Gera AG (SWG), kann der GVB kaum Geld für den Eigenanteil zur Stadtbahn-Finanzierung erwarten.
Die Stadt ist letztlich
in der Pflicht zu zahlen
Mit versteinerten Gesichtern kamen die Stadträte, die im Aufsichtsrat der Stadtwerke sitzen, aus ihrer Aufsichtsratssitzung zum Spatenstich. Der Konzern selbst soll Ende vorigen Jahres an einer Insolvenz vorbeigeschrammt sein. Die Aufsichtsräte aber erfüllen ihre Pflicht zu schweigen. Am 18. Dezember 2012 hatte Geras Stadtrat beschlossen, der SWG einen Verlustausgleich von 2,5 Millionen Euro zu zahlen. Damit sollte, so sagte damals die Oberbürgermeisterin, ein Teil der gesamten Verlustsumme ausgeglichen werden in jährlichen Raten von fünf mal 500 000 Euro. Allerdings soll zu diesem Zeitpunkt bereits die Gesamtsumme von 2,5 Millionen Euro aus der Stadtkasse an die Stadtwerke geflossen sein: eine halbe Million Euro für die vom Aufsichtsrat beschlossene Kapitalerhöhung bei der Energieversorgung Gera. Die restlichen zwei Millionen wollte die SWG zurückstellen und in jährlichen Raten verbrauchen. So jedenfalls sah es der Wirtschaftplan der SWG für 2013 vor, der am 13. Dezember, also wenige Tage vor dem Stadtratbeschluss, vom Konzern-Aufsichtsrat beschlossen wurde. Aber auch das Geld soll längst verbraucht und damit auch offene Forderungen des Tochterunternehmens GVB an den Konzern beglichen worden sein. SWG-Vorstandschef Udo Gantzke begründete den Verlustausgleich von der Stadt für den Konzern mit dem Abrechnungszeitraum von Abschlägen für die Energieversorgung. Gantzke rechnet für dieses und die nächsten Jahre weiter mit einer funktionierenden Quer-Subvention im Unternehmensverbund der Stadtwerke für den GVB. Der Liquiditätsplan sagt etwas anderes. Der weist und das hatten Stadt- und Aufsichtsräte schon vor längerer Zeit angemahnt für dieses Jahr einen Fehlbetrag aus, der sich in den Folgejahren noch erhöhen könnte. "Das sind erst einmal Planzahlen", meinte Gantzke. Wenn aber am Jahresende der SWG erneut Geld fehlt, müsste erneut die Stadt einspringen solange sie es mit ihrem klammen Haushalt kann.
Das Ende 2012 an die SWG gezahlte Geld war zu Jahresbeginn offenbar schon nicht verfügbar, sonst hätte die Stadt nicht kurzfristig weitere 1,75 Millionen Euro als Darlehen an den GVB zahlen müssen, damit der Verkehrsbetrieb mit den Vorarbeiten für den Bau der Stadtbahn beginnen konnte. Dieter Glück vom Bundesverkehrsministerium lobte das begonnene Bauvorhaben als zweiten Schritt zu einem Verkehrsnetz auf modernem Stand. Er hofft, dass die zweite Ausbaustufe der Stadtbahn wie geplant 2015 in Betrieb gehen kann. Gera sei die zweitälteste Straßenbahnstadt in Deutschland und bestehende Anlagen müssten gepflegt werden, deshalb habe das Land Neubau und Sanierung der Straßenbahn in Gera befürwortet, sagte Minister Carius. "Uns wurde immer gesagt, die Finanzierung sei gesichert", erklärte er auf OTZ-Nachfrage. Und Dieter Glück meinte gegenüber dieser Zeitung: "Damit das Vorhaben umgesetzt werden kann, müssen alle Finanziers dabei sein."
Angelika Munteanu / 13.04.13 /
OTZ