Hallo Socialist,
wunderbar, dass du dir die Zeit genommen hast, hier zu antworten.
socialist hat geschrieben:
Die Arbeitslosigkeit ist ein Problem, was zu großen Teilen von den Arbeitslosen selbst verursacht ist.
Doch diese Aussage ist bestimmt nicht von Dir impliziert worden
Das hast du richtig erkannt. Nach meiner subjektiven Einschätzung sind zumindestens die "groβen Teile" völlig fehl am Platze.
socialist hat geschrieben:
Wieviel Prozent der registrierten Arbeitslosen in Gera sind denn nach Deiner Auffassung “Drückeberger” - Herr Nauendorf, der sich tagtäglich mit dieser Frage berufsmäßig beschäftigt, behauptet ja ohne Beweise wie gelesen, es wäre ein Drittel??? (Ich bitte bei der Festlegung der Prozentzahl dabei noch diejenigen Ex-Geraer-Arbeitslose zu berücksichtigen, die sich gezwungener Maßen zum Verlassen unserer Stadt genötigt sahen, weil sie Arbeit nur woanders finden konnten)
Aber genau um diese Prozentzahl werde ich mich drücken. Das hat nichts mit Feigheit oder so zu tun, sondern einfach damit, dass mein Einblick in die Gesellschaft nicht repräsentativ ist.
Beruflich bin ich selbst an der Ausbildung von zum Teil benachteiligten Jugendlichen beteiligt, die nach meiner persönlichen Voraussicht nur schwer im ersten Arbeitsmarkt Fuβ fassen können und werden. Und da gibt es Klassen, da wird die Zahl von Herrn Naundorf noch übertroffen. In anderen Klassen ist das nicht der Fall, es gibt sogar Klassen, in denen solche Beispiele fehlen.
Mein Einblick in die breite Masse der Gesellschaft, in eine repräsentativen Querschnitt der Arbeitslosen ist zu eng, um mich auf eine Prozentzahl festzulegen. Das maβe ich mir nicht an. Ich bleibe bei meiner Aussage, dass es diese Drückeberger gibt, dass es keine Einzelfälle sind, jedoch nicht die breite Masse der Arbeitslosen so eingeschätzt werden darf.
Nebenbei bemerkt hat sich auch Herr Naundorf in seiner zitierten Aussage nicht über die Arbeitslosen an sich geäuβert, sondern nur von denen, die in seiner Kanzlei vorsprechen. Das muss auch kein repräsentativer Querschnitt der Arbeitslosen sein.
socialist hat geschrieben:
zumal bei einer solchen Größenordnung (Millionen) zeigen, dass es immer einen kleinen Prozentsatz gibt, wo Leistungsbezieher nicht alle Kriterien des Leistungserbringer für die Empfangsberechtigung erbringen - eine statistische Größe also.
Stimmt. Da kann man nichts machen. Das liegt nun mal in unseren Genen. Vor einigen Tagen erst schrieb ich:
Pfiffikus hat geschrieben:
Wo gehobelt wird, fallen Späne!
Und wo Leute mit Gled umgehen müssen, das ihnen nicht privat gehört, muss man einfach mit solchen "Sickereffekten" rechnen.Das beginnt bei der Bundesregierung, wo hin und wieder mal ein Fall von Korruption aufgedeckt wird, geht über grosse Unternehmen (Der Fall Hartz wird sicher nicht der letzte Fall bleiben!), natürlich die Wohngeldstellen bis hin zu den Empfängern von Wohngeld bzw. HartzIV. Unser Stadtverwaltung hatte damit zu tun, so
dass es schon thematisiert wurde. Und jedermann freut sich, wenn man bei der Steuererklärung dem Finanzamt das eine oder andere Schnippchen geschlagen hat.
Warum sollte bei Arbeitslosen dieses Gen fehlen?
socialist hat geschrieben:
Wieviel der Hunderten von Schulabgänger in Gera, die in den letzten Jahren trotz duzender Bewerbungen keine Lehrstelle bekamen, bzw. sich in Warteschleifen wiederfanden, hatten Deiner Ansicht nach selbst Schuld an ihrer Situation, weil sie zu unflexibel,.... waren???
Dieses Problem dürfte sich im Osten Deutschlands in Kürze erledigt haben. Anfang der neunziger Jahre gab es einen Geburtenknick, der die Anzahl der Kinder auf ca. die Hälfte verringert hat. Dieser Jahrgang wird jetzt 15 Jahre alt.
Lass mich lieber über die reden, die nach einer mehr oder weniger erfolgreichen Ausbildung nicht in einen normal bezahlten Job kommen. Da hab ich ein wenig mehr Einblick. Trifft möglicherweise ein ähnliches Problem, auf das du hinaus möchtest.
Von denen, denen es gelungen ist, eine Lehrstelle in einem Untenehmen zu finden, könnte es ein Anteil von 5% sein. Das kann man aber wirklich nur schwer beziffern. Zu viele Einflüsse spielen da hinein, die es wirklich schwer machen, in schwarz und weiβ einzuteilen. Macht der Jugendliche während der Lehrjahre eine vorübergehende Krise durch? Oder wurde ganz einfach der Sinn des Lebens noch nichterkannt. Doch es gibt eine Reihe von Leuten, die ihren Lebenswandel bewusst auf ein relativ geringes Niveau ausgerichtet haben. Sie rechnen sich ganz bewusst aus, dass sie diese und jene Einnahmen allmonatlich bekommen, diese ihnen auch zustehen und da kann ihnen keiner ran. Alles, was von ihnen verlangt wird, ist die körperliche Anwesenheit in der Ausbildung, zumindestens in manchen Stunden.
Und wenn mit der Ausbildung etwas schief geht - ist zwar nicht schön. Aber da kriegt man sicher wieder etwas anderes vermittelt. (Kein Wunder - Datenschutz sei Dank kann die ARGE anhand der vorliegenden Akten nicht entscheiden, ob ein Misserfolg daran lag, dass die Trauben zu hoch hingen oder ob der Misserfolg zum groβen Teil selbst verschuldet ist.) Wenn also einer bereits eine Lehre als Karosserieklempner hatte, sich später als Metallbauer versuchen durfte und auch in der dritten Ausbildung nur wenige Anstrengungen unternimmt, die dem Wissenserwerb dienen, ist ein Scheitern vorprogrammiert. Und wenn man weiβ, dass er wahrscheinlich wieder weich fallen wird (Wenn er keine neue Lehre vermittelt bekommt, stört er in der Statistik.), dann weiβ man, weshalb man täglich zur Arbeit fährt und Steuern zahlt.
Von denen, die mehr oder weniger erfolgreich ihre Lehre beenden, gibt es eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Leuten, bei denen es nicht verwunderlich ist, wenn sie im ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben. Wäre ich mittelständischer Unternehmer, würde ich auch nur ungern Geld dafür bezahlen, für das, was diese Leute als "Arbeit" bezeichnen. Und wenn sich dann noch gewisse Kräfte durchsetzen würden, die einen stündlichen Mindestlohn fordern ...
socialist hat geschrieben:
Weiterhin frage ich, ist es denn nicht tatsächlich eine Subventionsmentalität von Unternehmen, die sich eine Dienstleistung - Suche geeigneter Arbeitskräfte - von diesen direkt oder indirekt (Vermittlungsgutschein) bezahlen lassen, statt selbst dafür zu zahlen???
Übringens sind es oft die gleichen Unternehmer, die die vermeintliche Mitnahmementalität in den sozialen Sicherungssystemen durch Arbeitslose auch noch anprangern.
Wie bitte? Worin besteht diese Dienstleistung?
Stefan Wogawa hat geschrieben:
Das Problem seien schließlich nicht die Betroffenen, sondern die Tatsache, dass der Arbeitsmarkt nicht funktioniere.
Zurecht weist sowohl du, als auch eine Reihe anderer Mitglieder im Forum darauf hin, dass die Anzahl der offenen Stellen bei weitem nicht für alle Arbeitslosen reicht. Es ist für einen Arbeitslosen ungleich schwerer, einen Arbeitgeber zu finden, als umgekehrt. Deshalb heiβt es vor allem für den Stellensuchenden, Klinken zu putzen und nicht für die Unternehmen. Schau dich mal ein wenig um. Es wird dir nicht schwer fallen, Duztende Leute zu finden, die fünfzig oder mehr vergebliche Bewerbungen geschrieben haben.
Der Bewerber kann aber auch einen Dienstleister beauftragen. Dieser wird dafür bezahlt, dass er im Auftrag der Bewerber die Klinken putzt. (Da der Dienstleister es für viele Bewerber gleichzeitig tut und da er das mit einer gewissen Erfahrung tut, kann er das auch wesentlich effektiver, als der Einzelbewerber.) Und der Auftraggeber zahlt eben. Und ich schrieb bereits - der Vermittlungsgutschein ist eine Subvention, die dem Arbeitslosen zuteil wird, nicht dem Unternehmer.
Auf dem Wohnungsmarkt hat man eine gewisse Umkehr beobachten können. Anfang der Neunziger Jahre war es noch üblich, dass Wohnungssuchende eine Gebühr für die Vermittlung von gewünschtem Wohnraum zu entrichten hatten. Das ist schon lange umgekehrt.
Und wenn wieder einmal die Anzahl der offenen Stellen die Anzahl der Bewerber übersteigen sollte, wie wir es zu DDR-Zeiten einmal hatten - ja dann werden die Unternehmer auch für die Vermittlung von Arbeitskräften bezahlen, versprochen!
socialist hat geschrieben:
Wer misst hier bitte tatsächlich mit zweierlei Maß???
Da fällt mir mindestens Stefan Wogawa ein. Er beklagt sich darüber, dass Herr Naundorf seine Dienste nicht für diejenigen anbietet, die die erbrachte Leistungen nicht bezahlen können (z.B. weil sie keinen Gutschein in der Hand haben), aber es völlig normal findet, dass ein Maurer nicht unter Tarif arbeiten will.
Stefan Wogawa hat geschrieben:
Ein ALG II-Empfänger wird vermittelt,
...
ALG II-Empfänger haben gar keinen Anspruch auf die Vermittlungsgutscheine.
Je nachdem, wie man es gerade braucht.
Herr Wogawa greift die Beispiele "Eine Familie von Russlanddeutschen", "der arbeitslose Maurer" auf. Die FAZ prangert diese Beispiele an. Er Macht daraus eine Diffamierung
der Arbeitslosen.
Im FAZ-Artikel ist von 20 Unternehmen die Rede, die in der "Kinf"-Ablage gelandet sind. Das findet er nicht weiter erwähnenswert und und auf die Idee, dass
die Unternehmen damit diffamiert werden, kommt Herr Wogawa schon garnicht.
socialist hat geschrieben:
Und drittens interessiert mich:
Gibt es Deiner Meinung nach eine Diffamierung von Arbeitslosen in Medien, von Politikern, Unternehmern, Unternehmerverbänden ...???
(Ich denke da z.B. sofort an diese aufgeputschte Geschichte mit dem Florida-Rolf - wir erinnern uns, dies war kurz vor der Einführung von HartzIV, an die soziale Hängematte von Kohl, die Faulenzer-Verunglimpfungen von Schröder, an die Mitnahmementalität von Beck .... )
Ob es diesen Florida-Rolf gibt oder nicht - weshab diese Story gerade zur passenden Zeit recherchiert worden sind, mir fehlt die Zeit, diese Dinge zu recherchieren.
Wenn er denn existiert(e), so würde er allerhöchstens die Spitze eines Eisberges darstellen. Ich hatte bereits geschrieben, dass es Leute gibt, die sich bewusst darauf einrichten, mit den (wenigen) Sozialleistungen auszukommen und aus dem Wege zu gehen. Doch ich betone bei jeder Gelegenheit, dass dies nicht die Masse der Arbeitslosen ist, die sich im unteren Teil des Berges befinden und denen es wirklich dreckig geht. (
Siehe die jüngste Story hier im Forum) Und denen, die sich unverschuldet ganz unten befindet, tut man wirklich keinen Gefallen, wenn man die Existenz von solchen Gestalten wie Rolf - wenn auch nicht so extrem - verleugnet bzw. verschweigt.
socialist hat geschrieben:
Wenn ja, wem glaubst Du nützt dies, wer hat also ein Interesse Interviews im Stile von Herrn Nauendorf an bundesweit erscheinende Zeitungen zu geben?
Zu dieser Frage hat Herr Naundorf ja schon selber Stellung bezogen. Es war kein Interview, sondern der Redakteur der FAZ hat recherchiert. Zumindestens der Redakteur hat ein Interesse daran, täglich seine Zeitungsseite zu füllen.
socialist hat geschrieben:
Und zum Schluss:
Wer sich tatsächlich als Dienstleister für Unternehmer und Arbeitslose versteht, wie es ja bei diversen öffentlichen Auftritten von Herrn Nauendorf (OKG, FAKT im MDR, ...) immer wieder angeklungen ist, der hat nach meinem Verständnis ein gesteigertes Interesse daran, in der Öffentlichkeit als vertrauenserweckender und im Umgang fairer Partner wahrgenommen zu werden, ein Bild was mit den öffentlichen Verlautbarungen eines Herrn Nauendorf und seiner Mitarbeiter nach meiner Wahrnahme in keiner Weise zusammenpasst.
Hast du in irgendeinem konkreten Falle den Eindruck, dass ein Kunde von Herrn Naundorf in irgendeiner Weise unseriös behandelt worden ist? Ich hab keine Ahnung davon. Ich kenne Herrn Naundorf nicht. Habe noch nie mit ihm gesprochen. Und würde er mir auf der Straβe begegnen - ich würde ihn wohl überhaupt nicht erkennen. Doch ich hab inzwischen auch dank dieses Forums einiges gelesen. Soll er seine Arbeit und seine Äuβerungen so einrichten, dass Herr Wogawa nichts mehr daran auszusetzen hätte - wohl ein Witz? Wenn ich die Worte von Herrn Naundorf vergleiche mit dem, was Herr Wogawa oder Herr Dorrenburg schreiben, so macht er auf mich wirklich keinen unseriösen Eindruck.
Man kann sich einreden, dass sich die Redaktionen des MDR und der OTZ mit Herrn Naundorf und Leuten hier im Forum verschworen haben, um die Teilnehmer der Montagsdemo und/oder die ISG zu diffamieren. Man kann aber auch glauben, dass an den Beschimpfungen wirklich etwas dran gewesen ist. Also wer ist hier seriös?
socialist hat geschrieben:
In der Erwartung interessanter (pfiffiger) Antworten empfehle ich noch vorher die Homepage von Herrn Nauendorf zu besuchen und dort unter Referenzen den unsäglichen FAZ-Artikel im Original machzulesen.
Dort findet man auch den zitierten Satz:
"Denn ein Drittel der Bewerber, die sich an No Limits wenden, wollten nicht arbeiten, schätzt Naundorf, sondern bestenfalls dem Arbeitsamt vorgaukeln, daß sie nach Arbeit suchten."
Wer beschimpft hier eigentlich wen???
Dass in Unternehmen
auch solche Bewerber vorsprechen, habe ich schon von verschiedener Seite gehört. So erscheint mir eine solche Aussage nicht weltfremd. Wie bereits eingangs geschrieben - mir fehlt der repräsentative Überblick über die Masse der Arbeitslosen. Anders bei Herrn Naundorf. Er spricht in diesem Satz von Bewerbern, "die sich an No Limits wenden" und nicht von den Arbeitslosen im Allgemeinen. Er hat die Möglichkeit, an sein Regal zu gehen und die Ordner zu zählen. Und ein büssl Prozentrechnung - das traue ich dem Herrn Naundorf schon noch zu.
Wenn du/ihr der Meinung seid, dass es nicht so ist, so sei doch froh, dass es ein Pressegesetz gibt! Dann bewirke doch eine Gegendarstellung!
Sorry für meine Faulheit, mir für diesen Beitrag ein wenig mehr Zeit als deine Geduld genommen zu haben!