Untermhäuser Forum

Plaudereien im Dunstkreis von Untermhaus
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BeitragVerfasst: Mi 05.Jul 2017 12:30 
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http://www.thueringen24.de/thueringen/a ... 1499248823


•Spiegel-Artikel über Gera sorgt für Wirbel
•Stadt in Ostthüringen kommt im Beitrag nicht gut weg


Zitat:
... Viele Einwohner seien sich nicht bewusst, dass sie frei sind und Verantwortung für das eigene Leben übernehmen könnten, ist eine der Erfahrungen. „Die Leute sind unfähig, sich auf etwas Neues einzulassen“, lautet ein anderes Fazit.

...

Und so stellt sich die Spiegel-Autorin die Frage: „Wie konnte Gera, das einmal stark und stolz war, so vor die Hunde gehen?“... Doch auch die Geraer selbst wüssten es nicht, schreibt Hülsen. „Sie wissen nur, wer hier etwas anpackt, muss sich wehren gegen einen mächtigen Sog, der alles verschlingt: das Geld, die Lust, die Kraft.“


Leider hat der Spiegel Artikel einen Bezahlinhalt - vielleicht hat jemand von Euch das Papier oder er geht mal frei...


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BeitragVerfasst: Mi 05.Jul 2017 20:44 
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Danke für den Hinweis, da werd ich wohl morgen mal den SPIEGEL kaufen müssen.


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BeitragVerfasst: Mi 05.Jul 2017 21:11 
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Lückenhaft und oberflächlich fand ich den Artikel.


Pfiffikus,
der ihn bereits am Samstag gelesen hat


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BeitragVerfasst: Do 06.Jul 2017 11:46 
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Zwischenzeitlich hat Frau Hahn auch was dazu gesagt, aber was soll sie auch anderes sagen... :shock:

http://gera.otz.de/web/gera/startseite/ ... 1676746499


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BeitragVerfasst: Do 06.Jul 2017 15:59 
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Der Artikel ist im Anhang als PDF.
So ganz falsch finde ich den Artikel nicht. Ich bin vor fast 6 Jahren nach Gera zurückgekommen, hatte ca. 40 Jahre "woanders" gelebt - u. a. auch im "Westen". Mein Eindruck war - und ist immer noch: Der "gemeine Gersche" sitzt in der Ecke und nölt und wartet und fordert, dass "DIE was machen" .... Selbstverständlich kann man das nicht verallgemeinern, es gibt wie immer so'ne und solche ... selbstverständlich gibt es engangierte Menschen, die sich bemühen, die Stadt zu beleben und vorwärts zu bringen - sie fallen aber nicht so auf. Geht mal um die Mittagszeit - am besten zum Monatsende - die Sorge, Steinweg, Große Kirchstraße lang ...gähnende Leere. Leerstehende Geschäfte in der Innenstadt ... Jetzt im Sommer ist zumindest der Markt etwas mehr belebt durch die Außenplätze der Cafés.


Dateianhänge:
In Gera, der Pleitestadt in Thüringen, mangelt es an Geld und Antriebskraft - SPIEGEL ONLINE.pdf [904.51 KiB]
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BeitragVerfasst: Do 06.Jul 2017 20:49 

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Auf die Unterschiede im Stadtbild zwischen einem Monatsanfang und einem Monatsende (konkret: ob es gerade Geld gab oder der Tag schon etwas weiter zurückliegt) machte mich meine in der Innenstadt lebende Mutter aufmerksam.

Das A und O, nämlich erfolgreiche wirtschaftliche Tätigkeit von Menschen in Unternehmen bei einem weltweiten Markt, wurde in Gera seit der Wende sträflich vernachlässigt. Stattdessen wurde Traumtänzereien gefröhnt. Nach Einkaufs-Stadt, BUGA-Stadt, Straßenbahn-Stadt, Radrennbahn-Stadt, Otto-Dix-Stadt, Flüchtlingsaufnahme-Stadt, Hochschul-Stadt und anderen Ideen wird Gera aktuell vielleicht zur Blitzer-Stadt weiterentwickelt.


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BeitragVerfasst: Do 06.Jul 2017 21:38 
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Inzwischen habe ich den Artikel auch gelesen und das Bedrückende, das ich in Gera immer fühle, wenn ich mich in der Stadt aufhalte, das gibt der Artikel für mich sehr gut wieder. Dieses Graue, dazu den Sozialneid, den Hass auf die anderen, die immer schuld sind. Manches noch viel üblere verschweigt der Artikel, entweder ist die Autorin nicht tief genug eingetaucht oder sie hat manches zur Sicherheit lieber unterlassen zu schreiben.

Und damit bin ich weitgehend bei Barbara.

Simson hat geschrieben:
Auf die Unterschiede im Stadtbild zwischen einem Monatsanfang und einem Monatsende (konkret: ob es gerade Geld gab oder der Tag schon etwas weiter zurückliegt) machte mich meine in der Innenstadt lebende Mutter aufmerksam.


Anderswo sind die Zeitkonstanten länger. Man gehe mal in der sogenannten "vorlesungsfreien Zeit" am Samstag 19 Uhr durch Jena. Da habe ich mich schon so einsam gefühlt... jedenfalls ganz anders als man es aus der Vorlesungszeit tagsüber oder auch noch generell werktags tagsüber kennt.

Simson hat geschrieben:
Das A und O, nämlich erfolgreiche wirtschaftliche Tätigkeit von Menschen in Unternehmen bei einem weltweiten Markt, wurde in Gera seit der Wende sträflich vernachlässigt.


Selbst wenn man da nicht mithalten kann, kann man es noch anders versuchen. Es gibt Städte (gleichgroße und auch kleinere), die profitieren von der Nähe zu einem Zentrum, in dem es "läuft". Gera hat so eine Nachbarnstadt und die hat Wenig Platz zum Leben, da sie völlig überreizt ist. Doch auch hier bekommt man keinen Fuß in die Tür. Warum? Weil Menschen, die Zivilgesellschaft gewohnt sind, die humanistisch und weltoffen gesinnt sind, sich in Gera wie Fremdkörper fühlen und sich alsbald dafür entscheiden, schon der Entwicklung ihrer Kinder zuliebe dorthin zu gehen, wo es geeignetere, zukunftsfähigere Vorbilder für sie gibt.

Simson hat geschrieben:
Nach Einkaufs-Stadt


Aber die Gerschen fühlen sich doch immer noch unterversorgt mit den allernötigsten Dingen des täglichen Lebens (Großbild-Fernseher, Playstations, ...)...

Simson hat geschrieben:
BUGA-Stadt


Immerhin hat das Gera was gebracht. Ich bin heute noch dankbar dafür, daß viele hässliche Wunden in und um Gera damals geschlossen wurden. Und ich kann sagen, ich habe Gera mal lebendiger und belebter erlebt. Zu wissen, wie es sein könnte, ist schonmal sehr gut für den Anfang.

Simson hat geschrieben:
Straßenbahn-Stadt


Den Ausdruck kannte ich noch nicht. Ein elektrisch betriebenes Nahverkehrssystem allerdings ist eine Notwendigkeit, wenn eine Stadt zukunftsfähig sein will. Daß wenigstens die Linien fahren, die (noch) fahren, ist ein Segen. Man stelle sich mal vor, das würde durch Busse ersetzt...

Simson hat geschrieben:
Flüchtlingsaufnahme-Stadt


Auch diesen Begriff kannte ich bislang nicht und mir wäre neu, daß er von der Stadt als Marketingbegriff strapaziert worden wäre. Ist Suhl jetzt auch "Flüchtlingsaufnahme-Stadt"? Und Berlin? Und viele andere Städte und Gemeinden in Deutschland ebenso? Sorry, aber das ist schon wieder genau so ein typisches "Gera-Merkmal". Und gleich kommt noch eins:

Simson hat geschrieben:
wird Gera aktuell vielleicht zur Blitzer-Stadt weiterentwickelt.


Genau das ist Gera: ätzend, zynisch und offenbar im Glauben, man wäre der einzige Ort auf der Welt, dem etwas bestimmtes geschieht oder in dem etwas bestimmtes gemacht wird. Genau das laugt empfindsame Menschen aus bis sie die Stadt wieder verlassen und "erdet" jede Lust, etwas Gutes in Gera auf die Beine zu stellen.

Meine Empfehlung: einfach mal die Rudolstädter Straße über Winzerla nach Jena reinbrettern, dann übern Teichgraben / Löbdergraben dann nach Nord durch die Camburger Straße, dann wenden und zurück zur Autobahn über die Stadtrodaer Straße. Viel Vergnügen beim Bezahlen. Auf die Idee, Jena als "Blitzer-Stadt" zu bezeichnen, kommt aber eher niemand. Da werden stattdessen echte Werte assoziiert (ja ich weiß, daran mangelt es in Gera) und wenn man zu schnell fährt, kostets halt.


Zuletzt geändert von Radiowaves am Do 06.Jul 2017 22:43, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Do 06.Jul 2017 21:51 
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Solange ich im "Exil" gelebt habe, hab ich immer geglaubt, Thüringen/Gera wäre meine Heimat ... aber ich bin hier nicht wieder heimisch geworden. Wenn ich jünger wäre, würde ich Gera wieder verlassen.


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BeitragVerfasst: Do 06.Jul 2017 21:58 

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Den bisher einzigen Bußgeldbscheid meines Lebens habe ich beim Fahren über die Stadtrodaer Straße stadtauswärts in Jena erhalten. Ich war im Glauben, dass dort Tempo 60 war, wurde mit genau 60 geblitzt und abzüglich 3 km/h wurde ich für 57 km/h mit 15 Euro bestraft. Das ist aber gar nicht das Thema.

Gera ist eine Stadt, wo etwas Entscheidendes nicht in genügendem Maß stattfindet: Arbeit, Wertschöpfung, Geld verdienen, Steuern auf Einkommen zahlen.


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BeitragVerfasst: Do 06.Jul 2017 22:42 
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Barbara hat geschrieben:
Solange ich im "Exil" gelebt habe, hab ich immer geglaubt, Thüringen/Gera wäre meine Heimat ... aber ich bin hier nicht wieder heimisch geworden. Wenn ich jünger wäre, würde ich Gera wieder verlassen.


Ich bin als gebürtiger Geraer auch völlig fremd in der Stadt. Ich mag mein Elternhaus, ich mag den Garten daneben, ich mag sogar manche Nachbarn, ich mag die Landschaft und Natur beinahe rund um Gera - aber jedesmal, wenn ich weiter in die Stadt vordringe, zieht es mir dermaßen die Energie raus. Ich komme fast immer depressiv von den Stadtgängen zurück, die ich ohnehin auf das absolut Notwendige zu reduzieren versuche.

Wäre da nicht das Elternhaus, ich wäre auch dauerhaft weg. Nicht, weil kein Media Markt in der Stadt ist. Nicht, weil ein Großkonzern vor Ort fehlt (den haben Dörfer auch nicht und dennoch gibt es Dörfer mit sehr hoher Lebensqualität). Es ist das ätzende, alles zersetzende Klima in der Stadt, das mich so auslaugt. Das ist schade, denn Gera ist für mich eine schöne Stadt. Eine, in der ich bei Vorhandensein einer anderen Art von Zivilgesellschaft sehr gerne leben könnte. Auch, wenn ich dann z.B. nach Jena zur Arbeit pendeln müßte.

Mir bereitet das Thema derzeit wirklich Schmerzen, denn ich muß eine endgültige Entscheidung treffen: Leben an einem Ort, dem ich künftig sogar echte Grausamkeiten zutrauen muß, nur um mir mein Elternhaus halten zu können? Oder Verzicht auf das letzte Stück Heimat, das ich habe werde, wenn meine Eltern einmal nicht mehr sein werden und ein Leben als "Heimatloser" irgendwo?

Simson hat geschrieben:
Gera ist eine Stadt, wo etwas Entscheidendes nicht in genügendem Maß stattfindet: Arbeit, Wertschöpfung, Geld verdienen, Steuern auf Einkommen zahlen.


Und da bin ich doch schon wieder 100% bei Dir. Wobei das auch nicht der einzige Weg ist, einen Ort attraktiv zu halten. Es gibt Städte (und viele Dörfer), die profitieren von Nachbarstädten. Der ganze Südthüringer Raum profitiert massiv vom nahen Bayern. Die Menschen müssen halt pendeln, erfahren aber durch "ordentliche" Arbeit mit hoffentlich ordentlicher Bezahlung auch außerhalb ihres Wohnortes eine selbst erarbeitete Wertschätzung, eine Einbindung in verlässliche Strukturen und eine tägliche Erfordernis, ein gewisses Mindestniveau zu halten. Vor Ort kann man dann immerhin noch Geld ausgeben, selbst wenn man es anderswo verdient hat. Vor Ort kann man sich dann auch vielfältig engagieren, wenn man die Sorgen um das Geld nicht hat. Die töten nämlich alles ab.

Gera ist aber bei weitem nicht die einzige Stadt, der es dreckig geht. Da finden sich in Ostdeutschland weitere Kandidaten (auch in dieser Größenklasse) und in NRW kann man gleich weiter machen. Deshalb finde ich es besonders interessant, warum ausgerechnet Gera immer als mediales Beispiel herhalten muß. Ich behaupte: das kommt auch von innen, aus der Stadt heraus. Die negative Energie in der Stadt ist unser "Leuchtturm" (halt einer mit Schwarzlicht), das nimmt man überregional wahr. Weitaus mehr als das Leiden anderer Städte.


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BeitragVerfasst: Do 06.Jul 2017 23:07 
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Radiowaves hat geschrieben:
.... Gera ist aber bei weitem nicht die einzige Stadt, der es dreckig geht. Da finden sich in Ostdeutschland weitere Kandidaten (auch in dieser Größenklasse) und in NRW kann man gleich weiter machen.

... und auch in anderen Regionen der "alten" Bundesrepublik ist die Industrie völlig weggebrochen ...
Radiowaves hat geschrieben:
Deshalb finde ich es besonders interessant, warum ausgerechnet Gera immer als mediales Beispiel herhalten muß. Ich behaupte: das kommt auch von innen, aus der Stadt heraus. Die negative Energie in der Stadt ist unser "Leuchtturm" (halt einer mit Schwarzlicht), das nimmt man überregional wahr. Weitaus mehr als das Leiden anderer Städte.

Das ist es, was ich meine. Du drückst das sehr viel besser aus als ich ....


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BeitragVerfasst: Fr 07.Jul 2017 2:31 
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Radiowaves hat geschrieben:
Manches noch viel üblere verschweigt der Artikel, entweder ist die Autorin nicht tief genug eingetaucht oder sie hat manches zur Sicherheit lieber unterlassen zu schreiben.

Genau das ist auch mein Eindruck. Die Seiten mussten ja irgendwie voll werden. Nur so kann man sich erklären, in welchem Umfang über eine Demo berichtet wird, an der ganze 7 Leute teilnehmen. Gibt es hier nichts Wichtigeres?
Andererseits fehlte die Zeit oder die Lust, tiefer zu recherchieren, obwohl ich eigentlich eine solche Erwartung hatte, als ich mit dem Lesen der Überschrift begann.

Wie kam Gera in diese verfahrene Kiste? Da gab es höhere Gewalten, Machenschaften des Landes und Fehler, die in Gera gemacht wurden.

Es gab Umstände, für die höhere Gewalten verantwortlich sind:
  • Es gab in der Bundesrepublik mal eine einzige Großstadt,
    - die aus allen Richtungen nur eingleisig ans Bahnnetz angebunden war,
    - die nicht ans elektrifizierte Schienennetz angeschlossen war und
    - die nicht vom Fernverkehr angefahren wurde.
    Heute gibt es diese Kuriosität nicht mehr, denn Gera ist keine Großstadt mehr.
    (Deshalb habe ich nur wenig Mitgefühl, wenn Jena heute jammert, dass der ICE wegfällt. Wir kennen so ein Gefühl.)

  • Früher hat Gera eine ganze Menge Industrie gehabt, doch da ist Anfang der Neunziger vieles weggebrochen.
    - Maschinenbau
    Das Kombinat Wema Union hatte den Stammsitz in Chemnitz. Als die Geschäfte einbrachen, wurde die Produktion in Chemnitz zentralisiert, Gera schaute in die Röhre.
    - Optische Industrie
    Zeiss hat seinen Hauptsitz in Jena hat die Produktion dort zentralisiert, vom Gerschen Zweigbetrieb ist nur ein leeres Gewerbegebiet übrig geblieben.
    - Bergbau im Ronneburger Revier
    Diese zahlreichen Arbeitsplätze sind ersatzlos weggefallen.
    - Textilindustrie
    Reste davon haben sich in vergleichsweise winzigem Umfang erhalten können. Modedruck und Getzner fallen mir da ein.


Gerade Anfang der Neunziger Jahre ist einiges schief gelaufen, was leider nicht mehr so einfach rückgängig zu machen ist. Fangen wir mal mit den Fehlern der CDU-Landesregierung von damals an:
  • Thüringen hat einen Fehler gemacht, den man in Hessen, in NRW, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen zu vermeiden wusste. Man hat in Thüringen die größte Stadt gleichzeitig zur Landeshauptstadt gemacht, die ihre Sogwirkung ins Umland schickt. Sinnvoller wäre eine Landeshauptstadt Gera und eine Metropole in Erfurt gewesen.

  • In diesen frühen Jahren war der Sitz einer neu zu gründenden Fachhochschule festzulegen. Die damalige Landesregierung hat sich für Jena entschieden, welches schon Universitätsstadt war. So drängelt sich dort alles, während Gera in die Bedeutungslosigkeit entlassen wurde und erst Jahre später zwei kleine Fachhochschulen bekam.

  • Die Landeshauptstadt hat ihre Sogwirkung auf den Osten des Landes wirken lassen.
    - Milchproduktion: Erfurt war nicht ausgelastet uns so wird Osterland eben in Erfurt produziert.
    - Der Goldene Spatz ist in Gera geschlüpft! (Wurde der im Artikel erwähnt?) Aber Erfurt schmückt sich auch mit seinen Federn.
    - Druck: Die OTZ hat "Ostthüringen" nur noch im Namen, wird aber schon lange nicht mehr hier gedruckt, sondern wo?
    - Schulen: Wenn im Erfurter Raum eine Berufsschule nicht ausgelastet ist, dann wurde jeweils ein Beruf ausgesucht, der nicht mehr in Ostthüringen ausgebildet wird, sondern drüben. (Landwirte, Tierwirte, Zierpflanzengärtner, Landschaftsgärtner, Floristen, ...) Beispiele für eine Verlagerung in die andere Richtung sind mir nicht bekannt.


Natürlich sind auch Fehler im hiesigen Rathaus gemacht worden.
  • Obwohl die SRH-Hochschule im Artikel erwähnt wurde, las ich keine Silbe darüber, dass dort eine Menge Geld in den geplanten Otto-Dix-Tempel versenkt worden ist.

  • Wie die Stadt mit Investoren und Gewerbetreibenden umgeht, war schon ausreichend Thema hier im Forum. (Fröhliches Investorenvergraulen)

  • Wir haben hier in Gera einen übereifrigen Denkmalschutz. Natürlich stört es niemanden, wenn man eine Galgenreihe unter Schutz stellt. Aber es wurden in Gera zu viele Böcke geschossen. Man denke nur an die Reithalle! Oder dieses grandiose Denkmal für das Versagen des Denkmalschutzes. Und dabei sind noch nicht alle Stupiditäten der Gerschen Denkmalgötter öffentlichkeitswirksam geworden!
    Wo blieb der Denkmalschutz, wenn man ihn brauchte? (Rundkonsum?)



Pfiffikus,
der es bedauert, dass dieselben Entscheider auf Grund der weiter bestehenden Kreisfreiheit weiter herrschen dürfen


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BeitragVerfasst: Fr 07.Jul 2017 9:27 
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Danke Barbara!

Das mit der Montagsdemo finde ich auch komisch, aber das ist auch was - über was die Leute in Gera reden, so hatte ich immer den Eindruck.


Ansonsten schöne Kommentare hier, alles sehr interessant zu lesen! Fazit: Eigentlich mögen alle Gera und dann wieder doch nicht, das ist der Widerspruch, vielleicht ist dieses Image jetzt einfach da, hat sich in die Stadt gefressen und ist ganz schwer wieder abzuschütteln, möge es irgendwie gelingen!


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BeitragVerfasst: Fr 07.Jul 2017 10:58 
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Guten Morgen,

pfiffikus hat geschrieben:
Radiowaves hat geschrieben:
Manches noch viel üblere verschweigt der Artikel, entweder ist die Autorin nicht tief genug eingetaucht oder sie hat manches zur Sicherheit lieber unterlassen zu schreiben.

Genau das ist auch mein Eindruck. Die Seiten mussten ja irgendwie voll werden. Nur so kann man sich erklären, in welchem Umfang über eine Demo berichtet wird, an der ganze 7 Leute teilnehmen. Gibt es hier nichts Wichtigeres?

Ich meinte andere Dinge als die tiefe Ursachenforschung, die Du hier zu betreiben versuchst. Ich meinte eine noch deutlichere Formulierung der Situation der "Gerschen Volksseele". Die eben bis dahin führt, daß z.B. eine Arztfamilie, die sich naiv in Gera ein Haus hat bauen lassen (der Job war halt hier) nach 3 Monaten wieder wegzog und sich in Jena eine Mietwohnung suchte. Unter anderem, weil sie ihr Kind an einem Ort mit einem anderen Selbstverständnis aufwachsen sehen wollen, damit ihm nicht durch schlechten Umgang die Zukunftschancen genommen werden. DAS ist die Wahrnehmung, die Gera von Menschen bekommt, die im Leben noch etwas erreichen wollen. Diesen Status muß man sich erst einmal "erarbeiten"! Natürlich ist dieser Status etwas "unfair", da Gera als ganzes nicht so ist, aber dieser dunkle Schatten über der Stadt ist so allumfassend, daß er Image-bestimmend geworden ist.

Dazu auch ggf. nochmal den Artikel aus der ZEIT vom vergangenen Sommer lesen. Der war da deutlicher.

pfiffikus hat geschrieben:
Es gab in der Bundesrepublik mal eine einzige Großstadt,
- die aus allen Richtungen nur eingleisig ans Bahnnetz angebunden war,
- die nicht ans elektrifizierte Schienennetz angeschlossen war und
- die nicht vom Fernverkehr angefahren wurde.
Heute gibt es diese Kuriosität nicht mehr, denn Gera ist keine Großstadt mehr.

Und dann gibt es Orte, die befinden sich auch an nicht elektrifizierten Strecken (zumindest in Deutschland) oder haben gar keinen Bahnanschluß - und die Stimmung dort ist nicht so im Keller wie in Gera und die Leute kommen finanziell sehr gut über die Runden.

Klar, der ICE ist ein Statussymbol, aber wer häufig mit der Bahn fährt, statt das Thema nur politisch-"theoretisch" zu betrachten, der kann mir u.U. folgen, wenn ich sage: es muß kein ICE sein. Wichtig ist ein umsteigefreier Fernverkehr bis in die Metropolen. Ich bevorzuge, wenn möglich, zwischen Berlin und Leipzig z.B. den IC, weil ich mich in den Wagen wohler fühle als im ICE, wo es ständig unterm Sitz aus dem Antriebsbereich heraus wimmert beim ICE-T und wo es mir zu eng ist und vom Innenraum her nicht gefällt.

Übrigens: wer noch ein Kursbuch der DR von z.B. 1989 hat, möge mal schauen, wie die Verbindungen damals nach Westen und Norden waren. Es gab nur sporadisch Züge. Es gab keinen Taktfahrplan. Die Fahrzeiten waren teils krass länger (auch wegen Herumsteherei), z.B. Gera-Göschwitz teils über eine Stunde - heute die Hälfte. Da hat sich selbst ohne den begehrten Fernverkehr viel getan, nur fuhr man halt selbst im Bghwe-Wagen (der mit der Pendeltür zwischen Raucher und Nichtraucher und den 2 Klappsitzen aufm Perron) komfortabler als im 612er Neigezug.

pfiffikus hat geschrieben:
- Optische Industrie
Zeiss hat seinen Hauptsitz in Jena hat die Produktion dort zentralisiert, vom Gerschen Zweigbetrieb ist nur ein leeres Gewerbegebiet übrig geblieben.

POG vergessen? Ok, die ziehen nun auch weg, weil sie eine größere Gewerbefläche brauchen und sich das OTZ-Gebäude in Löbichau dafür anbot. Aber POG hat in Gera stabil über mehr als 25 Jahre lang wenigstens einige Arbeitsplätze auf "Jena-Niveau" erhalten. Einige der Jenaer Hightech-Unternehmen, die weltweit mitspielen, haben vergleichbare Größe oder sind sogar kleiner.

pfiffikus hat geschrieben:
- Bergbau im Ronneburger Revier
Diese zahlreichen Arbeitsplätze sind ersatzlos weggefallen.

...alles weitere kann man auch in NRW studieren. Interessanterweise mit teils ganz ähnlichen Entwicklungen. Da gibt es Verlierer-Städte und gleich nebenan Städte, in denen ein Technologiepark neben den anderen gebaut wird. Schaut man dann genauer hin, stellt man fest, daß eine bereits bestehende und anerkannte große Universität vor Ort offenbar entscheidender Katalysator für solche positiven Entwicklungen ist.

pfiffikus hat geschrieben:
Man hat in Thüringen die größte Stadt gleichzeitig zur Landeshauptstadt gemacht, die ihre Sogwirkung ins Umland schickt. Sinnvoller wäre eine Landeshauptstadt Gera und eine Metropole in Erfurt gewesen.

Diese Aussage hat Pfeffer! Ich hatte das so - wohl wegen des Gefühls von Absurdität - noch nie betrachtet. Aber spontan muß ich jetzt sagen, ja, da könnte was dran sein. Erfurt alleine hätte eine ganz andere Stärke gehabt, sich auch ohne den politisch "aufgeblasenen" Status stabil zu entwickeln. Gera hatte diese Kraft nicht. Doch dann hätte man auch Suhl, Nordhausen und einige andere Städte dafür nehmen können. Suhl war auch Bezirksstadt und hat diesen Status verloren.

Daß Gera direkt nach 1990 so von allem, was nur irgend möglich war, abgeklemmt wurde, finde ich im Nachgang immer noch "faszinierend". Da würden mich wirklich mal die Hintergründe interessieren. Wieviel davon war von außen politisch gewollt, wieviel war aus Gründen der Überlebensfähigkeit aufgrund kapitalistischer Gesetzmäßigkeiten "unvermeidlich" und wieviel war damals schon der grauen, übellaunigen Aura der Geraer Volksseele (die kenne ich auch aus DDR-Zeiten schon so) geschuldet?

pfiffikus hat geschrieben:
[*]In diesen frühen Jahren war der Sitz einer neu zu gründenden Fachhochschule festzulegen. Die damalige Landesregierung hat sich für Jena entschieden, welches schon Universitätsstadt war. So drängelt sich dort alles, während Gera in die Bedeutungslosigkeit entlassen wurde und erst Jahre später zwei kleine Fachhochschulen bekam.

Aus Sicht der Fachhochschule ist Jena aber der weitaus bessere Standort, weil man dort direkt mit den Anwendungen in der Industrie verknüpft ist. In Gera wäre dem nur in sehr kleinem Umfange so gewesen und auch heute noch so. Jena hatte einfach mehr "Industrie 2.0" als Gera, war 1990 schon in der "Silizium-Zeit", während Gera weitgehend noch in der "Eisen-Zeit" war.

Letztlich ist das fast ein biodynamischer Vorgang: Gera war als Industriestadt eher auf dem Höhepunkt als es Jena war. Dafür war die Substanz - also auch das Produktions- und Entwicklungsspektrum - in Gera entsprechend älter. Dadurch hatte Jena nach 1990 viel bessere (Neu-)Startmöglichkeiten und der Stadt kam etwas zugute, das sie kurz nach dem Krieg schwer getroffen hatte: der Abtransport von Fachleuten und Anlagen durch die Amerikaner. Zumindest bei Zeiss ist das als Glücksfall zu bewerten, denn der westdeutsche Teil des Unternehmens - nun international verwurzelt und stabil - engagierte sich nach 1990 wieder am alten Standort. Schott tat das zwar auch (und nahm dabei einige bizarre Umwege in Kauf, um Arbeitsplätze zu erhalten), aber Schott steht allgemein nicht auf so stabilen Beinen, hat mehrfach in den vergangenen Jahren neue Produktionszweige vor die Wand gefahren und erwies sich dadurch als bei weitem nicht so stabile Unterstützung für Jena. Dazu kommen noch die Jenoptik und zahlreiche kleinere und mittlere Firmen sowie Institute, die - ähnlich der POG in Gera - es nach 1990 selbst wagten und sich teils sehr stabil etablieren konnten. Da steckt fast immer ein "Ende" einer Zeiss-Abteilung dahinter.

pfiffikus hat geschrieben:
- Der Goldene Spatz ist in Gera geschlüpft! (Wurde der im Artikel erwähnt?) Aber Erfurt schmückt sich auch mit seinen Federn.

Der Artikel zeigt das Grau auf, das Auswärtige in Gera empfinden. Dieses Grau über"strahlt" den Spatz genauso wie den Hofwiesenpark im Frühling/Sommer, wie das Hofwiesenbad, wie die Chöre des Rutheneums, wie die Museen, wie den frühen Abend mit tiefstehender Sonne im Küchengarten, wie die durchaus sehr schöne Landschaft rund um Gera.

Man kann nun durchaus sagen, der Artikel ist entsprechend einseitig. Ja, ist er. Aber wenn ich - und das mußte ich in den vergangenen Monaten häufig - in die Stadt muß zu Besorgungen, dann fahre ich mit dem Fahrrad auch am Lummerschen Backhaus vorbei über die Untermhäuser Brücke und durch den Hofwiesenpark, komme durch die Heinrichstraße oder auch mal den Elster-Radweg lang bis nach Zwötzen. Weitgehend schöne bis sehr schöne Gegend / Wege. Begegnete ich dabei unterwegs den Menschen, die zeitgleich im Jenaer Stadtzentrum, in der Oberaue oder in der Westbahnhofstraße (hässlich!) unterwegs sind, statt den Menschen zu begegnen, die mir nunmal in Gera begegnen, käme ich mit Sicherheit nicht so ausgelaugt, depressiv und hoffnungslos wieder nach Hause. Und deshalb geht es für mich sehr ok, wenn die Autorin dieses kollektive Grau in den Fokus gestellt hat - es dominiert die Energie dieser Stadt, zumindest für Menschen, die so empfindsam auf diesem Gebiet sind wie ich.

pfiffikus hat geschrieben:
- Druck: Die OTZ hat "Ostthüringen" nur noch im Namen, wird aber schon lange nicht mehr hier gedruckt, sondern wo?

Kapitalisten entscheiden im Kapitalismus nach kapitalistischen Grundsätzen. Das ist das Wesensmerkmal der "Gesellschaftsordnung", für deren Wiedereinführung wir 1989 auf die Straße gegangen sind. (Ja, mir ist sehr bewusst, daß das, was vorher realsozialistisch lief, auch keine Überlebenschance gehabt hätte.)

pfiffikus hat geschrieben:
- Schulen: Wenn im Erfurter Raum eine Berufsschule nicht ausgelastet ist, dann wurde jeweils ein Beruf ausgesucht, der nicht mehr in Ostthüringen ausgebildet wird, sondern drüben. (Landwirte, Tierwirte, Zierpflanzengärtner, Landschaftsgärtner, Floristen, ...) Beispiele für eine Verlagerung in die andere Richtung sind mir nicht bekannt.

Bei Schulen kenne ich mich nicht aus, aber das Arbeitsgericht Jena ist doch z.B. nach Gera verlagert worden? Gab damals auch in Jena das entsprechende empörte Geschrei, das es in solchen Fällen wohl immer gibt (und ja, Pendeln ist verbrannte Lebenszeit, aber leider für viele Realität).

pfiffikus hat geschrieben:
Obwohl die SRH-Hochschule im Artikel erwähnt wurde, las ich keine Silbe darüber, dass dort eine Menge Geld in den geplanten Otto-Dix-Tempel versenkt worden ist.

Drück der Stadt einfach diese Menge Geld in die Hand und schau, was sich am Klima und der Zukunftsfähigkeit ändern würde: gar nichts. Natürlich hat die Stadt ein massives finanzielles Problem und deshalb keinen Handlungsspielraum. Aber das Hauptproblem von Gera ist kein finanzielles, sondern ein Problem, das aus der Haltung der Menschen zur Welt erwächst. Und das ist mit keinem Geld dieser Welt zu beheben.

Warum sind die, die das Bild in Gera bestimmen und ständig meckern über die Stadt, denn alle noch hier, wenn es anderswo doch so viel besser ist? Weil sie anderswo keine Chance haben mit dieser ihrer Haltung zur Welt. Somit "reinigt" sich Gera Generation um Generation immer mehr, bis vermutlich nur noch der blanke Hass übrigbleibt. Das ist wie ein mehrstufiger Destillationsprozess: wer was kann, den treibt die Stadt einerseits weg, da sie nicht zu seinem Welt-Empfinden passt und der hat andererseits auch Chancen woanders. Die, die in der Stadt bleiben, erleben letztlich das, was in ihrem Weltbild vorherrscht und was sie damit unbewusst auch so etablieren.

pfiffikus hat geschrieben:
Und dabei sind noch nicht alle Stupiditäten der Gerschen Denkmalgötter öffentlichkeitswirksam geworden!
Wo blieb der Denkmalschutz, wenn man ihn brauchte? (Rundkonsum?)

Wenn ich mir das anschaue, was trotz dieser teils sehr ärgerlichen Fälle in Gera an bereits sanierter historischer Substanz besteht, sehe ich keinen Grund, es als Ursache für fehlende Zukunftsfähigkeit zu betrachten. Kein Großkonzern hätte bei Investitionen um Gera einen Bogen gemacht, weil der Rundkonsum (den ich genau wie den "Blumentempel" auf der anderen Seite der Eisenbahn sehr vermisse im Stadtbild) abgerissen wurde. Da genügt ein Blick auf in den 1960er Jahren planierte Stadtzentren mancher westdeutscher Mittel- oder Großstädte, hässlich bis zum Abwinken. Dennoch funktioniert es dort oft besser als in Gera. Da genügt der Blick auf den potthässlichen Wissenschaftscampus Berlin-Adlershof, in dem ich, wenn ich ihn nur mal mit dem Fahrrad kreuze, wegen der Trostlosigkeit der aneinandergereihten quaderförmigen Institute, Firmengebäude und Shoppingtempel instantan depressiv werde - dort baut man jetzt sogar teure Wohnungen zwischen die Wissenschaftsansiedlungen und es gibt Leute, die dorthin ziehen wollen, weil sie die wirtschaftliche und intellektuelle macht dort "sexy" finden.

Ein Aspekt ist allerdings nicht zu leugnen: man sorgt mit grandiosen "Glanzleistungen" der Stadtverwaltung (sei es nun der Abriss eines der Bevölkerung am Herzen liegenden Bauwerkes oder die Schändung eines Friedhofes durch nahezu Komplettrodung) für weiteren Frust bei den Menschen und damit für die "Stabilisierung" des "Geraer Weltbildes". Das machts noch grau(samer).

pfiffikus hat geschrieben:
Pfiffikus,
der es bedauert, dass dieselben Entscheider auf Grund der weiter bestehenden Kreisfreiheit weiter herrschen dürfen

Das wäre mal ein super Experiment. Einfach die Jenaer Stadtspitze nebst Verwaltung in Gera machen lassen. Jena läuft ja.

Oh, da wäre aber was los. Der Schröter und seine offen gegen Rechts und für Internationalität ausgerichteten Aktivitäten in Gera. Der bräuchte hier Personenschutz. Da würde der Volkszorn aber hochkochen. Die neuen Eintrittspreise im Hofwiesenbad (ne Stunde Schwimmen für 10 EUR) würden vermutlich auch kaum zu Schlangestehen der Geraer führen, in Jena stehen die devoten "Jena-über-alles"-Fans auch zu diesem Preis am GalaxSea an. Es gäbe alsbald keinen Busverkehr mehr nach Milbitz, Thieschitz, Rubitz, Ernsee, Hammelburg usw. - stattdessen ein Stunden vorher zu orderndes "Sammeltaxi" mit sattem Strafzuschlag. Dazu dann noch ein Dutzend Blitzersäulen in der Stadt verteilt. Hurra, da käme in Gera aber Freude auf! (Zur Erinnerung: ein wichtiges Wahlversprechen von Frau Hahn war ja, das Tempolimit auf der Siemensstraße aufzuheben - wohl vor allem dafür wurde sie gewählt, war zumindest mein Eindruck damals.)

Wir leben im Kapitalismus. Da geht alle Macht vom Kapital aus und es sucht sich immer den Weg, sich maximal zu vermehren. In Jena ist genau Potential dafür da, deshalb läuft der Laden. In Gera fehlt dieses Potential, deshalb läuft es da nicht. Die jeweils "regierende" Politik ist im Kapitalismus doch nur nachgeordnet, eine Schauinszenierung, um dem ganzen Treiben einen pseudodemokratischen Anstrich zu geben. Entziehe mal einer Regierung die Unterstützung des Kapitals - dann geht alles zugrunde. Ohne das, was das Kapital an Steuern abgeben muß, und ohne die Einspannung der arbeitenden bevölkerung in das verbindliche Korsett eines Arbeitsverhältnisses geht halt nichts. In Jena ist die - egal wie freundlich rotgrün sie auch angestrichen sein mag - Kommunalpolitik auf das Befriedigen der Bedürfnisse des Kapitals ausgerichtet. Nur wenn man es sich "gnädig" hält, hat man eine Überlebenschance. Das böse Erwachen über z.B. realgrüne Politik in dieser Stadt kommt für Zuzügler, die erstmals dort wählen dürfen, häufig erst später, wenn sie dann zuschauen können, wie die "Grünen" Beschlüsse mittragen, die das letzte Stadtgrün beseitigen etc. Da gab es viel Frust zu meiner Jenaer Zeit. Aber das Gesamtergebnis nach außen ist halt ein glänzendes - gemessen an der Werteskala des Kapitalismus.

In Gera geht vom Kapital kaum Macht aus, weil kaum Kapital in der Stadt ist. Wenig Industrie, vor allem wenig Industrie mit international bekanntem Namen. Und z.B. am "Wohnungsmarkt" ist nichts rauszupressen, da genug Leerstand immer Ausweichmöglichkeiten bietet. Wohnungswirtschaft ist in Jena Kapitalismus, in Gera ist es Barmherzigkeit. Einen Wohnungsbestand zu betreiben ist in Gera ungleich schwieriger als in Jena. Teils sind die Bestände aufgrund zeitgleicher Entwicklung und DDR-Blockbau ja sogar komplett vergleichbar, auch mit ihren Alterskrankheiten, Sanierungsbedarfen etc. Aber in Jena kann ich lässig 1 oder 2 EUR mehr je Quadratmeter nehmen - weil ichs kann, weils der "Markt" hergibt. Alleine mit 1 EUR mehr kann ein Unternehmen wie Jenawohnen sehr grob überschlagen ca. 10-12 Mio. EUR Mehreinnahmen je Jahr erzielen. Und das deckt sich mit dem, was real rauskommt (Jahresüberschuss Jenawohnen 2015 ca. 15 Mio. EUR). Daß es so bleibt, daß die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt bleibt, daß die Attraktivität der Stadt so hoch bleibt, um keinen Leerstand entstehen zu lassen, ist natürlich Ziel des Kapitalismus'. Auch von dieser kommunalen Seite aus gibt es also für die Stadtverwaltung den Druck, alles auf Erfolgskurs zu halten.

In Gera kann man da keinen Hebel ansetzen. Die Kommunalpolitik verspürt deshalb von dem bißchen Kapital, was noch anwesend ist, auch kaum Druck, die Stadt wirtschaftlich erfolgreich zu führen und eine positive Außenwirkung zu erreichen (die Außenwirkung ist wichtig, auch in Jena ists viel Außenwirkung, gräbt man mal tiefer unter der Oberfläche, findet man viel Frust wegen Mieten, Parkplatzmangel, hohen Preisen in städtischen Einrichtungen etc.). In Gera dient die Stadtpolitik also nicht wie im Kapitalismus normalerweise üblich dem erfolgreichen Wirtschaften, sondern kann sich in gegenseitig-den-Schädel-einhauen ergehen, also in Befindlichkeiten und politischen Schaukämpfen, trotziger Blockiererei etc. Entsprechend verheerend ist die Außenwirkung. Wer will da schon investieren?

Ein System im stabilen Gleichgewicht zu halten (man weiß, wie es stabil funktioniert und muß sehen, die Bedingungen so zu balancieren, daß das auch weiterhin der Fall sein wird) ist natürlich auch leichter, als ein System aus einem anderen stabilen Gleichgewicht (dem Gerader "Sumpf") herauszuholen und dorthin zu bringen, wo sich das erstgenannte System befindet. Daß es dabei zum Streit über den Weg kommt, ist völlig klar - es ist ja kein Weg zu erkennen, der direkt zum Ziel führt. Entsprechend sind die ständig wechselnden unbeholfen wirkenden Ansätze in Gera, von Einkaufsstadt über Dix-Stadt bis sonstwohin zu erklären. Ich bin kein Sozialforscher, kein Gesellschafts-Experte und kein Politiker. Ich bin Physiker und Techniker. Aber selbst mit meinem "mechanischen" Weltbild ist mir das sehr verständlich. Wenn ich ein Großlabor habe, mit dem ich einen Natur-Effekt gut messen kann und die messung weiter optimieren möchte ausgehend vom derzeitigen Stand, ist das deutlich leichter als wenn ich nichtmal weiß, wie ich diesen Natur-Effekt überhaupt messtechnisch "einfangen" könnte oder - schlimmer noch - welchen Effekt ich überhaupt messen möchte. Das ist der Unterschied zwischen Geraer und Jenaer Kommunalpolitik.

Nur damit kein falsches Bild von mir aufkommt: mir ist sehr klar, daß das kapitalistische System, wie wir es in z.B. Jena als funktionierend wahrnehmen, vor extremen Umbrüchen steht bzw. schon mittendrin ist. Eine Kopie dessen, was in Jena 25 Jahre lang gut funktionierte, wäre deshalb auch keine Garantie für ein Aufblühen in Gera. Und Städte wie Jena müssen sehen, wie sie in der Postwachstumsgesellschaft, zu der wir naturgesetzlich gezwungen werden, weiterhin gut klarkommen werden. Da werden viele Steine nicht aufeinander bleiben in den kommenden 25 Jahren. Auch Jena mußte shcon einiges hinnehmen: das Ende der großfressigen kometenhaften Startes einer gewissen Intershop, das Ende von Schott Displayglas, das Ende von Schott Solar und Schott Solar Wafer. Die Stadt fängt auch nicht alles dabei ab. Viele ziehen weiter, schon wegen der Knappheit am Wohnungsmarkt. Die besten von Schott Solar Wafer sind längst wieder in Dresden oder in Westdeutschland. Nur die regional verankerten Leute bleiben oft vor Ort und finden wieder was neues in der Region.

So, jetzt muß ich aber erstmal frühstücken.


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BeitragVerfasst: Fr 07.Jul 2017 16:38 
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Wow ...

nach dem man zwischenzeitlich glauben konnte, dass die Stadt (und das Forum) hier quasi (halb-)tod sind, ist plötzlich Leben in der Bude :bravo:

Und ob man nun den Artikel in allen Einzelheiten gut oder schlecht findet, so hat er doch insgesamt etwas gutes - die lebendige Auseinandersetzung mit der eigenen Stadt.
Wenn das man nicht ein erster Schritt raus aus der (grau-)samen Lethargie sein könnte :roll:
Und wenn wir es nun noch schaffen ein bisschen mehr 'Leben und Leben lassen' in unseren Alltag in der Stadt einzubauen ... what a wonderfull world this could be ...

Ich lebe in Gera, weil ich das möchte und kann (Wohnung, Arbeit, Freunde, etc) ... und nicht weil ich Erfurt, Jena oder Leipzig hinterher schiele und mich heimlich dahin wünsche. Und wenn ich irgenwann doch mal wieder hier weg müssen sollte, dann geh' ich bestimmt nicht nach Jena. Eher noch nach Dresden oder Köln ...

Ja, auch ich nehme in Gera eine eher depressive Grundstimmung war, die das Potential hat postive Initiativen auszubremsen. Abseits dieser Feststellung möchte ich dies aber nicht nur beklagen oder kritisieren. Ein Gegenentwurf dazu ist für mich durchaus reizvoller.
Gute Laune kann ansteckend sein - und das kann man durchaus im Alltag ausprobieren.

Wenn mir die Frau an der Ladenkasse (nach dem Versuch passend mit Kleingeld zu bezahlen) sagt, das noch zwei Groschen fehlen, habe ich zwei Möglichkeiten. Ich ich kann genervt die Augen verleiern und die zwei Groschen rauskramen oder ein ein bisschen verschmitzt lächeln und sagen 'der Versuch wars wert', was ihr im Regelfall ein Lächeln abnötigt während sie die zwei Groschen noch von mir bekommt.
Wir schimpfen in Gera zu gern über die Trägheit und Willkür unsere Behörden/Verwaltung - 'dummerweise' habe ich bei meinem letzte Termin im Insolvenzgericht/Gewerberegister das ganze Gegenteil erlebt bei ein wenig gegenseitiger Freundlichkeit.
Es fühlt sich schon fast ein bisschen surreal an, wenn einem soetwas entgegen dem Erwartungswert passiert.

Ich bin nicht so blauäugig zu glauben, dass man die Probleme der Stadt und der Menschen mit etwas Freundlichkeit und ein wenig mehr Aufgeschlossenheit einfach weglächelt. Ein Lächeln kann aber -gefühlt- ungemein hilfreich sein, wenn man ein Problem oder eine Veränderung angeht.


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BeitragVerfasst: Fr 07.Jul 2017 19:13 
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Und wenn in Gera schon mal was erfunden wurde,
dann kam ein großer "Gönner" und hat es einfach mitgenommen.
Ein Beispiel ist das LASER-Fernsehen,
was von Dr. Christhard Deter und seinem Team
in der Firma LDT (Fasaneninsel) um die Jahrtausendwende entwickelt wurde.

In der Intensität modulierte LASER werden durch Reflektion
an rotierenden Spiegelscheiben auf eine Leinwand projeziert
und erzeugen dort ein gestochen scharfes TV/Kinobild.
Die Ablenkung erfolgt dabei mechanisch/optisch,
was das Gerät eben etwas größer gemacht hat.

Auch ich war damals beruflich mal in dem Raum drin,
wo die "Truhe mit der Kanone" stand und konnte sie live erleben.
Man hätte das alles in Gera weiterentwickeln und produzieren können.
Elektronik- und Optikfirmen gab es ja mal in Gera.
(B92 und Wolfsschlucht Keplerstraße).
Die wurden auch platt gemacht.

Aufgesaugt wurde diese innovative Idee von der Schneider AG.
Und die ist pleite gegangen.
Wie hätte man sich dagegen wehren können?
Gera guckt somit weiter in die Röhre (im doppelten Sinne).


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BeitragVerfasst: Fr 07.Jul 2017 21:15 

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Wie kann jemand Gera bewusst etwas wegnehmen und welches Motiv sollte dahinterstehen?

Gera nimmt in Größenordnungen anderen steuerzahlenden Bürgern und Unternehmen in Deutschland über staatliche Umverteilungsmechanismen Geld weg, um sein Leben und das seiner Einwohner zu finanzieren.

Das müsste sich ganz dringend mal ändern, um auf die eigenen Füße zu kommen!


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BeitragVerfasst: So 09.Jul 2017 0:22 
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:roll:


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BeitragVerfasst: So 09.Jul 2017 20:44 

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Ja, das will wieder keiner wahrhaben. :roll:


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BeitragVerfasst: So 09.Jul 2017 21:50 
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Damit ist Gera aber bei weitem nicht alleine in diesem Land...
http://www.haushaltssteuerung.de/weblog ... hland.html
(neuere Zahlen fand ich auf die Schnelle nicht)

Das ändert natürlich nichts daran, daß sich das ändern muß. Aber wie soll man es ändern? Wie, ohne sämtliche Leistungen, die eine Ansiedlung von Menschen in einem sogenannten "entwickelten Land" üblicherweise beinhaltet, einfach abzuwickeln? Gera ohne den in jeder Stadt defizitären Nahverkehr, ohne Kitas, ohne Schulen (deren Gebäude kosten Unterhalt), ohne Straßenbeleuchtung, ohne Sportstätten etc. wäre nur noch so zu handlen, daß man die Stadt evakuiert. Ein gefahrloses Leben wäre dort schon nicht mehr möglich, ein logistisch funktionierendes erst recht nicht mehr. Das dürfte allen Kommunen so gehen, die auf dieser Liste vor Gera stehen. Und seinen Wohnungsbestand (wenn man einen großen kommunalen Wohnungsbestand hat) kann man nur einmal verkaufen. Wenn man die dabei erhaltene Summe ausgegeben hat, häuft man wieder Schulden an, hat aber keine Hand mehr auf der Wohn-Grundlage der eigenen Einwohner. Suhl hat sich Geld z.B. so geholt: https://www.welt.de/newsticker/news3/ar ... ktien.html

Die Frage ist ernstgemeint: funktioniert "Kommune" in Deutschland nur dort, wo man Tafelsilber zur Schuldentilgung einmalig (!) einsetzen kann oder wo eine Industrie-Konzentration höchsten Ausmaßes herrscht, so daß nicht nur die eigene Bevölkerung, sondern auch noch viele Einpendler an der guten Finanzlage der Kommune mitwirken, während die Kommunen, aus denen herausgependelt werden muß, dabei finanziell ausbluten? Mir kommt die ganze Situation vor wie der Versuch, ein Doppelbett mit einem Geschirrtuch zuzudecken: wenn ich an einer Ecke ziehe, damit dort was vom Tuch zu liegen kommt, ist danach eine andere Ecke ohne Tuch.

Als Einzelkommune kommt man wohl dauerhaft nur raus, indem man für eine Situation sorgt, bei der die Nachbarkommunen ausbluten. Aber wie kommt man da als gesamtes Land raus?

Interessant wäre für mich, ob die 5 Millionen hier für ein neues Institutsgebäude, die Million da für eine neue Arbeitsgruppe etc., die jährlich immer wieder mal für Jena vermeldet werden (und letztlich alles Subventionen sind), sich über längeren Zeitraum "rechnen", also wieder einspielen. Bei angewandter industrienaher Forschung mag ich das noch nachvollziehbar finden, bei manchen anderen Dingen aber nicht. Hinzu kommt im Falle von Jena die Ausnutzung der prekären Lage auf dem Wohnunsgmarkt: die kommunale JenaWohnen holt Jahr für Jahr einen Gewinn von mindestens 10 Mio. EUR rein. Allein mit einer solche dauerhaft (!) kalkulierbaren Summe könnte man anderswo den Nahverkehr langfristig schuldenfrei finanzieren. Es funktioniert aber nur auf dem Rücken der Bevölkerung, die es in Jena aber weitgehend brav mitspielt - was bleibt ihr auch anderes?


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BeitragVerfasst: Mo 10.Jul 2017 9:36 
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Es schrieb hier schon jemand, endlich setzt man sich mal mit seiner eigenen Stadt auseinander. Das Schlechte ist halt auch immer noch für was gut.

Hier ein weiterer OTZ Artikel an dem sich ein paar Macher aus Gera äußern:

http://gera.otz.de/web/gera/startseite/ ... 2014581667


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BeitragVerfasst: Mo 10.Jul 2017 11:49 
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Oh mann, jetzt sind sie auch noch empört, trotzig und bockig, bloß weil jemand mal von Geras Schatten geschrieben hat.

Ich kann denen, die da nun die Sonnenseiten herauszustellen versuchen, nur raten: gehen Sie einmal in eine lebenswerte Stadt. Schauen Sie sich dort im Alltag um und kehren Sie nach Gera zurück. Sie werden extreme Unterschiede feststellen. Diese Unterschiede führen dazu, daß Gera weiterhin einen Brain Drain erleidet, daß diejenigen, die ihre Kinder in einer weltoffenen, zukunftsfähigen Selbstverständlichkeit aufwachsen sehen wollen, die Stadt verlassen.

Und da helfen keine schönen Parkanlagen, keine schöne Landschaft, kein Hofwiesenbad, keine günstigen Mieten (die Leute ziehen u.a. freiwillig nach Jena, obwohl sie in Gera ihren Job haben!).

Bitte Gera endlich ganzheitlich wahrnehmen, statt den Beleidigten zu spielen. Sonst wird das auch in Zukunft nichts mit der Stadt.


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BeitragVerfasst: Mo 10.Jul 2017 13:08 
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Also ich finde nicht das sie es nur schön geredet haben, sondern eher bemängelt das der Artikel zu einseitig negativ war. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen ;) Das habt ihr anfangs auch so dargestellt, das sie nicht so in die Tiefe gegangen ist und oberflächlich war. Guter Journalismus ist nunmal sachlich alle Seiten zu beleuchten.


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BeitragVerfasst: Mo 10.Jul 2017 13:52 
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Wenn man als Autor auf der Suche nach Antworten auf die Frage, warum es Gera so schlecht geht, ist, wieso muß man dann über Geras schöne Ecken schreiben? Die gibt es zweifellos, aber wenn es um Probleme geht, geht es um Probleme. Hier hilft auch keine sogenannte "Ausgewogenheit", hier hilft auch kein "positives Denken" ("Denken" hilft sowieso nie, es ist Selbstgespräch im Kopf und damit an Schizophrenie grenzend). Hier ging es um das, was Gera nach unten zieht - und das hat die Autorin für die angesichts des Umfanges des Artikels erforderliche "Oberflächlichkeit" gut hinbekommen.

In der Industrie gibt es ausgebildete Experten für so etwas. Das sind dann die FMEA-Leute. Die werden nicht dafür bezahlt, zu beschreiben, daß die Kantine gutes Essen kocht, die Büros freundlich eingerichtet sind, das Werbeprospekt für das Produkt ansprechend ist und das Gehäuse des Produktes gut designed. Das sind professionelle Fehler-Spürtrupps. Die haben einzig und allein die Aufgabe, alles, was nicht ok ist bzw. was zum Versagen führen könnte, im Vorfeld zu erkennen und zu benennen. In einem Unternehmen, das eine Zukunft haben will, werden diese Menschen geschätzt für ihre Arbeit. Offenbar braucht ein Gemeinwesen so etwas auch.

Wenn es in Gera so toll wäre, wie trotzig behauptet wird, warum geht es dann Gera so schlecht, daß das Gejammer so groß ist, daß man drauf aufmerksam wird und überregional berichtet? Warum verlassen Ärzte und Familien die Stadt? Warum kehren junge Leute nach der Ausbildung nicht zurück, um genau hier etwas aufzubauen? Kaum, weil Gera keinen MediaMarkt hat. Sondern wegen dem, was Menschen sagen läßt, "eigentlich schöne Stadt, aber unerträglich vom Klima her". Grau ist nicht der Hofwiesenpark im Sommer, grau sind nicht die Gemälde von Otto Dix. Grau, martialisch, hämisch, xenophob ist das, was man als Grundstimmung auf der Straße wahrnehmen kann, wenn man für so etwas sensibilisiert ist und es nicht für "normal" hält. Natürlich (!!!) nicht bei allen, aber doch so zahlreich, daß es dominiert und Menschen, die andere Selbstverständlichkeiten gewohnt sind, sofort auffällt.

Mein Respekt jedem, der so stark ist, dennoch als nicht da dazugehörender in Gera zu bleiben. Und das grundlegendste Problem, das sich mir dank dieses Artikels und der Reaktion darauf zeigt, ist offenbar, daß man es in Gera einerseits nicht wahrhaben will, andererseits nicht auszusprechen wagt (auch dafür kann ich aus gewissen Gründen Verständnis zeigen) und die Mehrheit will es offenbar gar nicht anders, der derzeitige Zustand passt offenbar in ihren "Plot" von "Leben" ganz gut rein.


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BeitragVerfasst: Mo 10.Jul 2017 21:02 

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Ich fühle, dass arbeitende Menschen in Gera in der Minderheit sind. Und dementsprechend ist das Klima hier.

Das neueste Projekt für Gera ist bzw. war "Kulturhauptstadt":

http://gera.otz.de/web/gera/startseite/detail/-/specific/Gera-will-durch-die-Kooperation-mit-Nuernberg-und-Chemnitz-Kulturhauptstadt-werd-1946996926

Dem wurde allerdings von einem der beabsichtigten Kooperationspartner inzwischen eine Absage erteilt:

http://gera.otz.de/web/gera/startseite/detail/-/specific/Nuernberg-erteilt-Gera-Absage-fuer-Kulturhauptstadt-Bewerbung-1064228061

Mit "Kulturstadt" könnte ich mich durchaus anfreunden. Mit Wirtschaft ist seit mehr als 25 Jahren nichts entscheidend Positives geworden. Auch der Handel geht weiter zurück.

Kultur ist eine der wenigen Stärken dieser Stadt!


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