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Plaudereien im Dunstkreis von Untermhaus
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BeitragVerfasst: Mo 10.Jul 2017 21:04 
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Im Zusammenhang verweise ich auf die Berichte von vor ein paar Jahren.
http://www.wiwo.de/politik/deutschland/ ... 29462.html
https://www.welt.de/politik/deutschland ... rgang.html
http://www.lr-online.de/nachrichten/Tag ... 65,4733598


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BeitragVerfasst: Di 11.Jul 2017 10:28 
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Radiowaves vielen Dank, der mit Abstand beste Beitrag zum Thema. Wenn es noch eines Beweises für das "Geraer Problem" oder Dilema bedurft hatte, dann waren es die Reaktionen auf den Spiegel Artikel. Empörung, Entsetzen von der Oberbürgermeisterin bis zu einigen Geraer Unternehmern und Bürgern. Sachliche Analyse, Selbstkritik, Problembewusstsein - Fehlanzeige. Ausser Journalisten Schelte und Hinweise auf die schöne Lage der Stadt im Elstertal, den Hofwiesenpark, die tollen Radwege kam aber Nichts - Doch, wir sind jetzt Hochschulstadt.


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BeitragVerfasst: Di 11.Jul 2017 17:57 
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"Der Fisch stinkt immer am Kopf" - sagt ein altes deutsches Sprichwort.

Wie die meisten hier wissen, habe auch ich keinen "Gerschen" Stammbaum.

Einer meiner ersten (öffentlichen) Kommentare damals (ungefähr zum Jahreswechsel 1996/97) war folgender. "Ich habe ein Problem mit den meisten Leuten hier, offen aussprechen zu können, was ich denke. Jeder redet dir hier nach dem Maul, klopft dir auf die Schultern, lobt dich. Aber noch während dessen wetzen sie die Messer, um sie dir in den Rücken zu jagen!"

Da, wo ich herkomme, sagst du jemandem ins Gesicht, dass du Schei... findest, was er macht oder, dass du ihn für ein Rindviech hältst. Danach wird das Problem besprochen, 2 oder auch 8 Radeberger oder Feldschlößchen drauf getrunken und das Problem ist ausgestanden.

Diese offene und ehrliche Diskussion konnte ich (ich will hier bewußt nicht "man" schreiben) auch mit Entscheidungsträgern egal welcher Ebenen in Gera nie führen. Und an dieser Stelle liegt der Hase im Pfeffer! Nein! Eigentlich liegt der Hahn im Pfeffer!

Änderungen und Änderungswillen müssen vorgelebt werden. Du führst keine tumbe Masse aus dem Tal des Jammerns, wenn Du es selbst keinen Deut besser vorlebst.

Wer IT-Spezialisten anheuert, um Schein-Wahl-O-maten ins Netz zu stellen, wer um dem Vorgänger eins auszuwischen, ohne jede Not die Stadtwerke und Verkehrsbetriebe in die Insolvenz schickt, der wird zwangsläufig dafür sorgen, dass dieses im Artikel gut beschriebene Ur-Gersche Gefühl der Benachteiligung durch die große, böse Welt auch noch auf nachfolgende junge Generationen übergreift. Schließlich war es ja nicht die darüber jammernde und schimpfende OB, sondern das böse, böse Landesverwaltungsamt im fernen Weimar, dass Gera zu den drastischen Sparmaßnahmen der letzten Jahre gezwungen hat.

Solange die Parteien, die irgendwelche Kandidaten zur OB-Wahl oder Stadtratswahl stellen, kein Interesse daran haben, (eine/n) Vertreter/in(nen) :-) an die Front zu schicken, der/die nicht nur Hirngespinste verfolgt, sondern auch mal schrittweise kleine Erfolge erringen und auch feiern kann - solange wird sich am hiesigen Niedergang nix ändern.

Vor allem muss man hier und jetzt aufhören, der verschenkten Vergangenheit hinterherzuheulen. Natürlich kann man seitenlange Artikel darüber verfassen, wie Ralf Rauch (erst 4 Jahre als Bau- und "Stadtplanungsdezernent" und anschließend 12 Jahre als OB) diese Stadt zusätzlich zu den Nachwendeproblemen künstlich deindustrialistert hat und zur Einkaufs- und Dienstleistungsstadt machen wollte - bringt aber leider nix! Die einzige Lehre daraus sollte sein, diesem Mann nie wieder eine öffentliche Funktion angedeihen zu lassen.

Es gibt derzeit in der Stadt eine erstaunliche Anzahl von teils jungen Unternehmern, die etwas bewegen wollen. Nur trotz verschiedener Versuche kommt eine Kommunikation mit der OB nicht in Gang. Selbst der Galeria-GF nimmt diese nicht für voll und befindet sie für so unwichtig, dass er mit ihr nicht mal über die Filialschließung spricht.

Ich kann hier nur eines für mich persönlich feststellen. Ja, auch ich habe 1997 und 2000 über einen Weggang aus Gera nachgedacht, bin im Gegensatz zu vielen anderen aber geblieben. Ich habe in dieser Zeit 3 OB-Wahlen in dieser Stadt miterlebt. Wenn bei der vierten der dusslige Durchschnitlichsgersche nicht mal überlegt, wen er denn wählt, dann geht´s hier stetig weiter steil bergab und der Fisch stinkt immer noch am Kopf und stopft sich die Taschen voll ...


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BeitragVerfasst: Mi 12.Jul 2017 15:57 
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Radiowaves hat geschrieben:
Die eben bis dahin führt, daß z.B. eine Arztfamilie, die sich naiv in Gera ein Haus hat bauen lassen (der Job war halt hier) nach 3 Monaten wieder wegzog und sich in Jena eine Mietwohnung suchte.
So? Die haben das während der Planungsphase, während des Bauens und bei ihrer Arbeit in Gera noch nicht bemerkt?
Bist Du Dir sicher, dass hier Anlass und Ursache dieselben sind?


Radiowaves hat geschrieben:
Und dann gibt es Orte, die befinden sich auch an nicht elektrifizierten Strecken (zumindest in Deutschland) oder haben gar keinen Bahnanschluß - und die Stimmung dort ist nicht so im Keller wie in Gera und die Leute kommen finanziell sehr gut über die Runden.
Das sind aber ganz sicher nicht die Orte, die gerne große Industrieansiedlungen anlocken würden, weil sie dringend gebraucht werden. Denn ab einer gewissen Größe des Industriebetriebes wird ein solcher Anschluss immer wichtiger. Und deshalb war und ist die Bahnverbindung ein Ansiedlungshemmnis.

Radiowaves hat geschrieben:
Übrigens: wer noch ein Kursbuch der DR von z.B. 1989 hat, möge mal schauen, wie die Verbindungen damals nach Westen und Norden waren. Es gab nur sporadisch Züge. Es gab keinen Taktfahrplan. Die Fahrzeiten waren teils krass länger (auch wegen Herumsteherei), z.B. Gera-Göschwitz teils über eine Stunde - heute die Hälfte.
Es gab im Wesentlichen alle anderthalb Stunde eine Zugverbindung. Allerdings gab es auch die lästige Warterei. Der Zug 15:21 Uhr musste zum Beispiel immer in Hermsdorf eine halbe Stunde stehen, bis die KWH Feierabend hatte. Zusätzlich verkehrten auf dieser Strecke D- und E-Züge, so dass Überholvorgänge zu organisieren waren. Und selbstverständlich gab es damals auf der Schiene noch reichlich Güterverkehr.
Heute haben es die Planer einfacher. Mit diesem wenigen Zugaufkommen auf dieser Strecke können sie einen Taktfahrplan im Stundentakt realisieren.

Radiowaves hat geschrieben:
Aus Sicht der Fachhochschule ist Jena aber der weitaus bessere Standort, weil man dort direkt mit den Anwendungen in der Industrie verknüpft ist. In Gera wäre dem nur in sehr kleinem Umfange so gewesen und auch heute noch so. Jena hatte einfach mehr "Industrie 2.0" als Gera, war 1990 schon in der "Silizium-Zeit", während Gera weitgehend noch in der "Eisen-Zeit" war.
Hier vergisst Du den Teil der Antwort, den Du einige Zeilen weiter oben schon geschrieben hattest.
Zitat:
Schaut man dann genauer hin, stellt man fest, daß eine bereits bestehende und anerkannte große Universität vor Ort offenbar entscheidender Katalysator für solche positiven Entwicklungen ist.
Und genau das hätte nach meiner Meinung der Zweck der Ansiedlung der Fachhochschule in Gera sein sollen.


Radiowaves hat geschrieben:
Drück der Stadt einfach diese Menge Geld in die Hand und schau, was sich am Klima und der Zukunftsfähigkeit ändern würde: gar nichts. Natürlich hat die Stadt ein massives finanzielles Problem und deshalb keinen Handlungsspielraum. Aber das Hauptproblem von Gera ist kein finanzielles, sondern ein Problem, das aus der Haltung der Menschen zur Welt erwächst. Und das ist mit keinem Geld dieser Welt zu beheben.
Es könnte aber auch ein Henne-Ei-Problem sein. Die Leute haben eben inzwischen ihre eigene,jahrzehntelange Erfahrung mit den "blühenden Landschaften" gemacht, die sich nicht mit Erfahrungen aus Jena und Erfurt deckt.


Radiowaves hat geschrieben:
Kein Großkonzern hätte bei Investitionen um Gera einen Bogen gemacht, weil der Rundkonsum (den ich genau wie den "Blumentempel" auf der anderen Seite der Eisenbahn sehr vermisse im Stadtbild) abgerissen wurde.
An dieser Stelle habe ich auch nicht die Großkonzerne im Hinterkopf. Die haben bei Bedarf eine Rechtsabteilung mit guten Juristen und genügend Liquidität für eine effektive Lobbyarbeit zur Verfügung.
Da bekanntlich solche Konzerne nicht Schlange vor Geras Toren stehen, muss eine Kehrtwende aus der anderen Richtung kommen, von unten. Und hier sind mir mehrere Fälle bekannt, wie kleinen, jungen Unternehmen unter dem Vorwand des Denkmalschutzes massive Knüppel zwischen die Beine geworfen worden sind, damit sie sich ja nicht zu größeren Unternehmungen entwickeln. Und aus diesem Grunde frage ich mich immer wieder, wer eigentlich diese Denkmalgötter unserer Stadt eigentlich demokratisch legitimiert hat.


Radiowaves hat geschrieben:
Wir leben im Kapitalismus. Da geht alle Macht vom Kapital aus und es sucht sich immer den Weg, sich maximal zu vermehren. In Jena ist genau Potential dafür da, deshalb läuft der Laden. In Gera fehlt dieses Potential, deshalb läuft es da nicht. Die jeweils "regierende" Politik ist im Kapitalismus doch nur nachgeordnet, eine Schauinszenierung, um dem ganzen Treiben einen pseudodemokratischen Anstrich zu geben. Entziehe mal einer Regierung die Unterstützung des Kapitals - dann geht alles zugrunde. Ohne das, was das Kapital an Steuern abgeben muß, und ohne die Einspannung der arbeitenden bevölkerung in das verbindliche Korsett eines Arbeitsverhältnisses geht halt nichts.
Fast.
Steuern müssen wir alle abgeben. Und die kassiert der Staat ohne jegliche Zweckbindung.
Viel schlimmer sehe ich das Schmiergeld, welches die Regierungen (von der Kommune bis zum Bund hinauf) mit mehr oder weniger verdeckter Zweckbindung erhalten. (Spitzname: Parteienspenden)



Radiowaves hat geschrieben:
Entsprechend sind die ständig wechselnden unbeholfen wirkenden Ansätze in Gera, von Einkaufsstadt über Dix-Stadt bis sonstwohin zu erklären.
Wenn solche Begriffe auf Briefköpfen und Ortsschildern stehen, so wirkt sich das erstmal nicht störend aus. Mehr aber auch nicht. Sinn hat ein solches Motto allerdings erst dann, wenn es sich nicht um ein Wunschdenken, sondern um eine Feststellung handelt, wodurch die Stadt geprägt wird. Und dass unsere Stadt von den beiden Hochschulen geprägt wird, davon sind wir ebenso weit entfernt, wie von einer Otto-Dix-Stadt.


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BeitragVerfasst: Mi 12.Jul 2017 16:02 
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Simson hat geschrieben:
Gera nimmt in Größenordnungen anderen steuerzahlenden Bürgern und Unternehmen in Deutschland über staatliche Umverteilungsmechanismen Geld weg, um sein Leben und das seiner Einwohner zu finanzieren.

Falsch! Steuern zahlen alle, auch die Gerschen.
Und die Steuerlast eines jeden, auch Deine, wird danach bemessen, wie leistungsfähig Du bist. Dass Ärmere weniger Steuern zahlen, als Reiche, liegt in der Natur der Sache und das ist auch gut so.

Wenn ich mir nun ansehe, wie die Fördermittel und Subventionen in Thüringen verteilt werden, so habe ich keineswegs den Eindruck, dass sich die Gerschen übermäßig am Steuertopf laben. Nur die Art der staatlichen Zuwendungen unterscheidet sich eben von Region zu Region.


Pfiffikus,
der keineswegs der Ansicht ist, dass Gera anderen Regionen etwas weg nimmt


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BeitragVerfasst: Mi 12.Jul 2017 17:33 
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Lea hat geschrieben:
Im Zusammenhang verweise ich auf die Berichte von vor ein paar Jahren.


Lea die Blog-einträge hat du vergessen....ok das war 2010 aber ich denke hier ist die Mentalität der Gerschen schon gut beschrieben worden.
Teil1 und Teil2 ist meines Erachtens lesenswert.


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BeitragVerfasst: Mi 12.Jul 2017 19:56 

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pfiffikus hat geschrieben:
Simson hat geschrieben:
Gera nimmt in Größenordnungen anderen steuerzahlenden Bürgern und Unternehmen in Deutschland über staatliche Umverteilungsmechanismen Geld weg, um sein Leben und das seiner Einwohner zu finanzieren.

Falsch! Steuern zahlen alle, auch die Gerschen.

Solch eine Aussage trägt nur zur Vernebelung tatsächlicher Verhältnisse und Geldflüsse bei. Es ist schon ein Unterschied, ob jemand durch eigene wirtschaftliche Tätigkeit, sei es als Arbeitnehmer oder als Unternehmer, eigenes Geld verdient, Sozialversicherungen speist und über Steuern auch zur Füllung des Steuertopfes beiträgt oder ob jemand von Steuermitteln lebt und dann ausruft: „Ich zahle auch Steuern!“, weil er wie jeder andere auch Verbrauchssteuern oder Grundsteuer bezahlt.

pfiffikus hat geschrieben:

Und die Steuerlast eines jeden, auch Deine, wird danach bemessen, wie leistungsfähig Du bist.

Meine Einkommensteuer wird nach meinem Einkommen bemessen. Und das erziele ich als Geraer seit mehr als 20 Jahren hauptsächlich außerhalb Geras.

Ich möchte, dass mehr Menschen und Unternehmen in Gera Geld verdienen und dementsprechend Steuern zahlen. Damit könnten sie sowohl sich als auch Gera und nebenbei finanziell auch Thüringen, Deutschland und Europa etwas Gutes tun.


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BeitragVerfasst: Do 13.Jul 2017 1:52 
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Simson hat geschrieben:
Solch eine Aussage trägt nur zur Vernebelung tatsächlicher Verhältnisse und Geldflüsse bei.

Dass solche Geldflüsse im Gang sind, bestreitet ja keiner. An dieser Stelle verwahre ich mich nur gegen Formulierungen wie "weg nehmen".

Wenn Leute aus Köstritz kommen, um sich eine Vorstellung im Gerschen Theater anzusehen, dann spricht ja auch keiner von "weg nehmen", nur weil sich der Landkreis nicht um die Finanzierung des Theaters kümmert.


Pfiffikus,
der hofft, dass dieser Standpunkt nun etwas klarer rüber gekommen ist


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BeitragVerfasst: Do 13.Jul 2017 17:01 

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Lieber Pfiffikus,

meine Meinungsäußerung, an der Du Dich stößt und die Du aus dem Zusammenhang reißt, war eine Replik auf den vorhergehenden Beitrag, in dem es um ein Mitnehmen aus Gera ging.

Das Land Thüringen überweist übrigens jedes Jahr mehr als 10 Millionen Euro Steuermittel, damit die TPT Theater und Philharmonie Thüringen GmbH betrieben werden kann. Von den Einnahmen alleine in Höhe von etwa 2 Millionen Euro im Jahr durch Kartenverkauf und Abonnements ginge dies nicht.


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BeitragVerfasst: Fr 14.Jul 2017 10:05 
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James T. Kirk hat geschrieben:
Einer meiner ersten (öffentlichen) Kommentare damals (ungefähr zum Jahreswechsel 1996/97) war folgender. "Ich habe ein Problem mit den meisten Leuten hier, offen aussprechen zu können, was ich denke. Jeder redet dir hier nach dem Maul, klopft dir auf die Schultern, lobt dich. Aber noch während dessen wetzen sie die Messer, um sie dir in den Rücken zu jagen!"

Ein ähnliches "Grundgefühl" habe ich teilweise auch, wenn ich in Gera bin - und zwar in jeglicher Richtung. Am Verhalten mancher (nicht aller, nicht der Mehrheit!) aus der dortigen Nachbarschaft kann ich nichtmal klar ablesen, ob sie mich verarschen wollen, ob es Bösartigkeit ist, ob es einfach eine sehr spezielle, mir nicht zugängliche Form von "Humor" ist und generell, was sie von mir wirklich halten. Das würde ich vermutlich nur erfahren, wenn ich unsichtbar bei ihnen mit am Küchentisch säße. Sowas ist für mich verunsichernd und verstörend.

Ich kenne es aber auch in umgekehrter Richtung aus der eigenen Herkunftsfamilie heraus auf andere in der Nachbarschaft gerichtet. Interessanterweise betraf das da nur die "Gerschen" aus meiner Herkunftsfamilie (u.a. betraf es meine bereits in den 1980er Jahren verstorbene Großmutter), während meine aus Südthüringen zugezogene Mutter solches Verhalten weder kannte noch pflegte oder pflegt - und mit solchem Verhalten auch anfangs sehr schlecht klar kam. Hier könnte sich möglicherweise sich eine Geraer "Spezialität" zeigen, zumindest jedoch etwas, das nicht neu und nicht erst eine Nachwende-Erscheinung ist.

James T. Kirk hat geschrieben:
wer um dem Vorgänger eins auszuwischen

Mein Eindruck: nicht nur "dem Vorgänger", sondern gerne jedem anderen. "Jeder" nahezu beliebig "jedem". Auswischen, in-die-Pfanne-hauen, sich über das Scheitern des anderen freuen. Deshalb auch meist gegeneinander und sich blockierend. Und wenn der andere nicht wie erhofft scheitert, dann kocht der Neid hoch. Teils treibt das aus Unwissenheit über die realen Zustände bizarre Blüten, wird Neid geschürt bei Dingen, auf die man, hätte man sie selbst, gar nicht mehr so neidisch sein würde.

James T. Kirk hat geschrieben:
Solange die Parteien, die irgendwelche Kandidaten zur OB-Wahl oder Stadtratswahl stellen, kein Interesse daran haben, (eine/n) Vertreter/in(nen) :-) an die Front zu schicken, der/die nicht nur Hirngespinste verfolgt, sondern auch mal schrittweise kleine Erfolge erringen und auch feiern kann - solange wird sich am hiesigen Niedergang nix ändern.

Da ich das nicht weitergehend beobachte: für wie realistisch hältst Du ein Erringen "kleiner Erfolge" durch wen-auch-immer in einer Atmosphäre, in der doch jeder nur hofft, dass der andere scheitert? Ist das überhaupt möglich oder ist das aussichtslos in dieser Atmosphäre?

James T. Kirk hat geschrieben:
Es gibt derzeit in der Stadt eine erstaunliche Anzahl von teils jungen Unternehmern, die etwas bewegen wollen. Nur trotz verschiedener Versuche kommt eine Kommunikation mit der OB nicht in Gang.

Ist für mich sehr interessant! Mich würde da mal interessieren, wer da alles aktiv ist, also welche Branchen da versuchen, in Gera etwas zu bewegen. Gerne auch im direkten Kontakt, wenn ich mal wieder im Deltaquadrant bin.

James T. Kirk hat geschrieben:
Ich habe in dieser Zeit 3 OB-Wahlen in dieser Stadt miterlebt. Wenn bei der vierten der dusslige Durchschnitlichsgersche nicht mal überlegt, wen er denn wählt, dann geht´s hier stetig weiter steil bergab und der Fisch stinkt immer noch am Kopf und stopft sich die Taschen voll ...

Wer hätte denn reale Chancen, was zum Guten (!) zu bewegen, wenn die Randbedingungen dazu wie beschrieben sind?

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pfiffikus hat geschrieben:
Radiowaves hat geschrieben:
Die eben bis dahin führt, daß z.B. eine Arztfamilie, die sich naiv in Gera ein Haus hat bauen lassen (der Job war halt hier) nach 3 Monaten wieder wegzog und sich in Jena eine Mietwohnung suchte.
So? Die haben das während der Planungsphase, während des Bauens und bei ihrer Arbeit in Gera noch nicht bemerkt?
Bist Du Dir sicher, dass hier Anlass und Ursache dieselben sind?

Ich kenne ein paar mehr Details zu den Wegzugsgründen, werde die hier aber nicht öffentlich machen. Es ging dabei jedenfalls um Gründe im Bereich des "Geraer Klimas". Und tatsächlich: da ist man offenbar davon ausgegangen, ein ähnliches gesellschaftliches Klima wie in den besser beleumundeten Gegenden von Jena vorzufinden und hat sich ein Haus bauen lassen, ohne vorab wenigstens mal paar Tage das Stadtbild genauer auf sich wirken zu lassen. Einfach nur von der Autobahn an den Arbeitsplatz fahren und nach der Arbeit wieder zurück, reicht dafür halt nicht. Offenbar schon gar nicht, wenn der Arbeitsplatz generell eher ein Ort der Hochqualifizierten ist und etliche der Kollegen auch täglich von auswärts einpendeln. Der richtige Sozialkontakt zu Gera kam wohl tatsächlich erst nach dem Umzug. Da wars dann zu spät...

Weiß eigentlich jemand, warum die Augenärztin, deren Terminvergabe-Schlange den Sprung in die Tagesschau schaffte, nach kürzester Zeit Gera wieder (Richtung Zwickau?) verlassen hat? War war denn da der Grund?

pfiffikus hat geschrieben:
Radiowaves hat geschrieben:
Und dann gibt es Orte, die befinden sich auch an nicht elektrifizierten Strecken (zumindest in Deutschland) oder haben gar keinen Bahnanschluß - und die Stimmung dort ist nicht so im Keller wie in Gera und die Leute kommen finanziell sehr gut über die Runden.
Das sind aber ganz sicher nicht die Orte, die gerne große Industrieansiedlungen anlocken würden, weil sie dringend gebraucht werden. Denn ab einer gewissen Größe des Industriebetriebes wird ein solcher Anschluss immer wichtiger. Und deshalb war und ist die Bahnverbindung ein Ansiedlungshemmnis.

Klar, ein großer Chemiekonzern braucht dann schon seinen eigenen Umschlagbahnhof, ein großes Logistikunternehmen ebenso. Aber selbst in Jena - haben Zeiss oder die Jenoptik noch Gleisanschlüsse? Wäre mir neu. Der Güterverkehr läut (leider) doch weitgehend auf der Straße. Auch wir wurden bei Schott mit Massengütern auf dem Straßenweg beliefert. An Zeiss an der Tatzendpromenade käme man bahnseitig gar nicht ran. Wenn die Jenaer Unternehmen jammern, dann über die Einstellung des Personen-Fernverkehrs. Da geht es nicht einmal direkt um den ICE, sondern generell um den Verlust umsteigefreier Verbindungen bis München, Berlin oder Hamburg mit "gehobener" Zugausstattung. Es gibt Pendler, die täglich Leipzig-Jena und zurück fahren. Die wollen dann auch während der Fahrt arbeiten, ohne dass ihnen an jedem Halt bei geöffneten Türen die Blätter vom Tisch fliegen. Es gibt Geschäftspartner, die in Berlin mit dem Flugzeug ankommen und dann ohne Umsteige-Streß in einem fremden Land bitte bis zum Zielort gelangen sollen.

Und so gesehen sieht es in Gera direkt an der Autobahn hinsichtlich Güter-Verkehrsanbindung nicht schlechter aus als für viele Unternehmen in Jena. Aber hinsichtlich Anzahl der Industriearbeitsplätze sieht es wesentlich schlechter aus...

pfiffikus hat geschrieben:
Heute haben es die Planer einfacher. Mit diesem wenigen Zugaufkommen auf dieser Strecke können sie einen Taktfahrplan im Stundentakt realisieren.

Es gibt auch westlich von Gera kaum noch eingleisige Abschnitte. 1988 begann ich wöchentlich nach Jena zu pendeln. Da lief es von Gera bis Töppeln eingleisig, von Töppeln bis Kraftsdorf zweigleisig, von Kraftsdorf über Hermsdorf bis Papiermühle eingleisig (Kraftsdorf bis Kreuzung A4 war außerdem bis 1993 in einem baulichen Zustand, der nur "gehobene Schrittgeschwindigkeit" zuließ), Papiermühle bis Stadtroda zweigleisig, ab Stadtroda bis Neue Schenke eingleisig. Heute sind nur noch die Abschnitte Gera-Töppeln und Hermsdorf-Papiermühle eingleisig - da kann man schon deutlich flexibler planen.

pfiffikus hat geschrieben:
Hier vergisst Du den Teil der Antwort, den Du einige Zeilen weiter oben schon geschrieben hattest.
Zitat:
Schaut man dann genauer hin, stellt man fest, daß eine bereits bestehende und anerkannte große Universität vor Ort offenbar entscheidender Katalysator für solche positiven Entwicklungen ist.
Und genau das hätte nach meiner Meinung der Zweck der Ansiedlung der Fachhochschule in Gera sein sollen.

Da wäre dann beides neu gewesen: eine neue FH an einem Ort, der eine solche Einrichtung bislang nicht hatte - und diese neue FH hätte Industrie anlocken sollen. Ob sich dabei nicht wieder ein Henne-Ei-Problem herausgebildet hätte? Wer weiß... Ich hatte was von "bereits bestehende und anerkannte große Universität" geschrieben. Da war eine Einrichtung schon vorhanden. Umgekehrt war in Jena die optische und messtechnische Industrie vorhanden und bot damit gewisse Sicherheit für die Etablierung der FH. Der Weg der höheren Erfolgsaussichten - ich kanns nachvollziehen, auch wenn es freilich für Gera sehr nützlich gewesen wäre, eine angesehene, große FH hier zu haben.

pfiffikus hat geschrieben:
Es könnte aber auch ein Henne-Ei-Problem sein. Die Leute haben eben inzwischen ihre eigene,jahrzehntelange Erfahrung mit den "blühenden Landschaften" gemacht, die sich nicht mit Erfahrungen aus Jena und Erfurt deckt.

Haben sie. Mehr als 25 Jahre lang. Aber auch auf der Demütigung (und so dürfte das Empfinden gewesen sein) durch die Deklassierung von der Bezirks-, Wismut- und Industriestadt zum "Nichts" kann man nicht ewig "aufbauen", denn diese Art von Aufbau ist eigener Abbau. Da herauszukommen, ist extrem schwierig, das will ich nicht leugnen. Ich habe als nicht-Manager und nicht-Unternehmer auch kein selbst erprobtes Konzept dafür in der Tasche...

---

Simson hat geschrieben:
Das Land Thüringen überweist übrigens jedes Jahr mehr als 10 Millionen Euro Steuermittel, damit die TPT Theater und Philharmonie Thüringen GmbH betrieben werden kann. Von den Einnahmen alleine in Höhe von etwa 2 Millionen Euro im Jahr durch Kartenverkauf und Abonnements ginge dies nicht.

Und diese Förderung dient dann wieder nicht nur Gera, sondern dem Erhalt eines wichtigen Teils der Kulturlandschaft Ostthüringens mit Ausstrahlung bis ins Vogtland, Westsachsen, Mittelthüringen. Mit dem Zahlenverhältnis liegt man übrigens weitgehend ähnlich zu Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen - aber deutlich ungüsntiger als z.B. in Bayern, Berlin und Hamburg: http://www.buehnenverein.de/de/publikat ... c06d44b29e Punkt 5.


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BeitragVerfasst: Fr 14.Jul 2017 11:09 
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Wohnort: Debschwitz
Simson hat geschrieben:
Das Land Thüringen überweist übrigens jedes Jahr mehr als 10 Millionen Euro Steuermittel, damit die TPT Theater und Philharmonie Thüringen GmbH betrieben werden kann. Von den Einnahmen alleine in Höhe von etwa 2 Millionen Euro im Jahr durch Kartenverkauf und Abonnements ginge dies nicht.

Stimmt. Denn Dein zweiter Satz gilt nicht nur für das Theater Gera-Altenburg, sondern für alle Theater in Thüringen.

Speziell auch für die Vogtlandhalle Greiz, die ja eigentlich für die Bespaßung der Köstritzer Bevölkerung zuständig wäre, erhält derartige Zuwendungen aus Steuermitteln. Praktisch kann das Gersche Theater reichlich Ronneburger und Köstritzer Publikum begrüßen. Wie viele Besucher die Vogtlandhalle aus Gera versorgt, entzieht sich meiner Kenntnis.


Apropos Zuschüsse aus Landesmitteln: Letztendlich hat sich die Fusion der beiden Bühnen in Altenburg und Gera nachteilig für die Region ausgewirkt. Hier führten zwar Synergieeffekte zu einigen Einsparungen, so dass weniger Zuschüsse vom Land benötigt werden.
Erfurt und Weimar weigern sich beharrlich, zu fusionieren. Dank ihrer Nähe zur Lobbyarbeit erfolgreich. Da bekommt eben jede der Spielstätten ihre eigene Zuwendung.


Pfiffikus,
der nicht davon ausgeht, dass die Regierung damals eine Weigerung zur Ostthüringer Theaterfusion so tolerant akzeptiert hätte, wie bei Erfurt und Gera


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BeitragVerfasst: Fr 14.Jul 2017 21:34 

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Lieber Pfiffikus,

Deine geäußerten Gedanken hinsichtlich einer Zuständigkeit von Kultureinrichtungen kann ich nicht nachvollziehen.

Fakt ist, dass die jährlichen 10 Millionen Euro für die TPT Theater und Philharmonie Thüringen GmbH und die Gelder für andere Kultureinrichtungen sowie weitere steuerfinanzierte Dinge irgendwo erarbeitet und erwirtschaftet werden müssen.

Meine Meinung ist, dass in Gera endlich mal mehr wirtschaftliche Tätigkeit, Einkommenserzielung und Einkommensteuerzahlung stattfinden sollte, aus der dann solche Sachen wie das Theater und andere wünschenswerte Dinge finanziert werden können.


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BeitragVerfasst: Sa 15.Jul 2017 17:20 

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Friedhelm Loh äußert heute in der OTZ die Meinung, Gera ist ein Wachstumsstandort:

http://gera.otz.de/web/gera/startseite/detail/-/specific/Kritik-nach-Spiegel-Artikel-Gera-ist-ein-Wachstumsstandort-2078016957


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