Von Honorierung bis Schuldzuweisung: Wie die Fraktionen die Arbeit der Geraer Oberbürgermeisterin sehen
CDU und Arbeit für Gera honorieren den Einsatz von Viola Hahn für die Stadt. Die Linke lastet ihr gar die Stadtwerkeinsolvenz an und die SPD nimmt ihren Ex-OB in Schutz.
Gera. Die Oberbürgermeisterin verbreitet in der Halbzeit ihrer Wahlperiode Optimismus. Die sechs Fraktionen im Geraer Stadtrat teilen den nicht ohne Vorbehalte. CDU und „Arbeit für Gera“ stehen hinter ihr. Sie und in dem einen Punkt auch die Fraktion Bürgerschaft beschreiben die Stärke der Oberbürgermeisterin im Vermitteln.
Heftiger Gegenwind weht von der größten Fraktion Die Linke, von der SPD und den Grünen. Letztere behauptet von sich, 2012 die einzige Fraktion gewesen zu sein, die ihrer Skepsis bereits zum Amtsantritt Ausdruck verliehen habe. „Heute steht fest, dass Frau Hahn nahezu alle ihre damals formulierten Ziele verfehlt hat, Tempo 70 in der Siemensstraße einmal ausgenommen. Obwohl sich die Oberbürgermeisterin seit 2012 redlich bemüht hat, ist es ihr nicht gelungen, Gera gemeinsam positiv zu gestalten. Im Gegenteil, haben sich die Eckwerte und die Aussichten Geras seit ihrem Amtsantritt deutlich verschlechtert“, erklärt Eugen Weber .
„Die Erwartungen waren zu groß und die tatsächliche Misere der Stadt auch“, konstatiert Harald Frank , Fraktionschef der Bürgerschaft Gera.
Seiner Fraktion fehle „das berechenbare, zielstrebige und konsequente Handeln. Frau Hahn ist kein Sanierer“, heißt es in der Einschätzung. Sie habe zwar durchaus Visionen, aber sei zu zaghaft, um Widerstand zu brechen und Konzeptionen
SPD: Verwalterin mit Mitleidsbonus
umzusetzen. „Das Rathaus mit mehr als 1000 Menschen aller Prägungen ist ein schwerfälliges Schiff. Aber immer ist der Kapitän entscheidend – für Mannschaft, Kurs und Sicherheit der Ladung, deshalb die Macht in seiner Hand. Es wird Zeit zu liefern“, so Harald Frank .
Als „einsame Verwalterin mit Mitleidsbonus“ beschreibt die SPD-Fraktion die Oberbürgermeisterin. Sie habe in den letzten drei Jahren ihren OB-Wahlkampf gegen ihren Vorgänger fortgeführt. „Dieses Draufhauen auf den Vorgänger ist ausgelutscht und lenkt von ihrer eigenen Verantwortung ab“, erklärt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Melanie Siebelist , die dasselbe Parteibuch wie der Ex-OB hat und meint zu erkennen, dass bei Frau Hahn immer die anderen schuld seien.
Für die SPD habe Frau Hahn „wertvolle Zeit für die Stadt verschwendet“. Im Gegensatz zur Meinung der Bürgerschaft würden ihr Visionen und Konzepte fehlen. Von Priorität für die Wirtschaftsförderung könne keine Rede sein, wenn Gewerbe steuern erhöht, und Mitarbeiter des Bereiches Wirtschaftsförderung in der Tourist Information eingesetzt werden.
„Im Juli beginnt die aktive Phase“: Geras Oberbürgermeisterin zieht Bilanz und hat vier Ziele
„Die Oberbürgermeisterin hat Probleme nicht rechtzeitig erkannt und die notwendigen eigenen Entscheidungen nicht zeitnah herbeigeführt. Dadurch haben sie das Entscheidungsfeld der Stadt verlassen.
Diese Entwicklung darf sich keinesfalls so fortsetzen, denn dafür hat Gera keine Zeit mehr“, erklärte gestern Andreas Schubert , Fraktionsvorsitzender der Linken. Der 2012 versprochene Kassensturz „liegt bis heute nicht vor“. Die Insolvenz der Stadtwerke AG, deren Aufsichtsrat die Oberbürgermeisterin vorsaß, wurde nicht verhindert.
Für die Linken bleibe die Zusage „Gera gemeinsam gestalten“ im Umgang mit dem Stadtrat unerfüllt. Beispiele seien der Schulnetzplan und die Sondersitzung zur Grundschule in Aga.
CDU sieht positive Nachrichten
Die Schuld lasse sich, so die CDU-Fraktion, kaum bei der Oberbürgermeisterin suchen. Die Bilanz könne weniger die Problemlagen als das Problemmanagement betreffen. Hier sehe die Fraktion „eine sehr positive Entwicklung“. Die OB habe ihre Führungsebene neu aufgestellt. Zu den positiven Nachrichten gehörten die steigende Geburtenrate, die Investition der Textilweberei Getzner, der Umbau der Landeszentralbank zur SRH Fachhochschule und die Sanierung des Wasserschlosses Tinz für die Berufsakademie.
Unbemerkt von der Öffentlichkeit habe sich Viola Hahn vehement für Synergien zwischen der Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland und der Metropolregion Mitteldeutschland stark gemacht, schätzt Kerstin Pudig, Fraktionschefin von Arbeit für Gera ein. „Wenn unsere Oberbürgermeisterin vom Korpsgeist spricht, so ist nicht der Standesdünkel, sondern der gemeinschaftliche Zusammenhalt und die Zusammenarbeit aller Geraer gemeint. In diesem Sinne unterstützen wir Viola Hahn .“
Sylvia Eigenrauch / 18.06.15 /
OTZ