nach damaligen Gesprächen und Telefonaten wurde nun die geburtstechnische Angabe korrigiert... - die Künstlerin stammt nun sicher aus Debschwitz...
Zutiefst menschliche KunstZum 100. Geburtstag der Bildhauerin Elly-Viola Nahmmacher (1913-2000)
Die Greizer Bildhauerin Elly-Viola Nahmmacher (1913-2000) in ihrem Atelier-Garten in Greiz, 1991.
Greiz. Elly-Viola Nahmmacher, eine der bedeutendsten mitteldeutschen Bildhauerinnen, die über 50 Jahre in Greiz lebte und arbeitete, soll hier das erste Wort gehören, entnommen einem "Christlichen Hauskalender 1956", aus einer Zeit also, da sie erst am Anfang ihres übergroßen Schaffens stand und doch schon sehr genau wusste, was in ihr grundgelegt war: "Ich will mit meinen Plastiken unsere durch die apokalyptischen Katastrophen heimgesuchten Menschen, die durch die korrumpierende Eile und Hast zerrissen, ohne Stille und Frieden sind, zunächst einmal hart bedrohen, damit sie überhaupt erst einmal angesprochen werden, und dann zur Ruhe führen, damit sie auf ihre innere Stimme lauschen, um daraus stark und klar zu handeln."
Ein starkes Wort von einer selbstbewussten Künstlerin, die ihren eigenen, zunächst oft unverstandenen, später viel bewunderten Weg gegangen ist mit christlicher Kunst? Vor allem mit zutiefst menschlicher Kunst. Was sich in ihrem Werk nicht ausschließt.
Die Bedeutung ihres durch Heirat eines Chemnitzer Arztes angenommenen Namens war ihr wichtig: Naben-Macher. Immer wollen ihre Plastiken zur Mitte gehen und gleichzeitig über den Horizont schauen. Ihr vielfältiges Werk von geschätzt etwa 5000 Arbeiten, vorwiegend Skulpturen, aber auch Applikationen, Malerei und Grafiken, ist auf Dialog angelegt, sucht das Gespräch mit dem Betrachter. Das Gespräch wird bleiben, über den Tod hinaus.
Die Künstlerin hat ein übergroßes Werk hinterlassen, das zu erschließen nicht nur der Stadt Greiz Verpflichtung sein sollte. In über 120 Städten Deutschlands, von Hamburg über Würzburg bis Stuttgart, in Berlin, in Dresden, Chemnitz und Leipzig sind Arbeiten in öffentlichen Räumen zu finden. Kirchen in Markkleeberg, Zwickau und Werdau erinnern in diesen Tagen mit Ausstellungen an ihren 100. Geburtstag.
Die Stadt Greiz darf zahlreiche Arbeiten ihres künstlerischen Nachlasses, bisher nur Dauerleihgabe, nun ihr Eigen nennen. Doch bedeutend mehr Arbeiten wanderten in private Haushalte, nicht nur in der ehemaligen DDR. Manche Skulpturen fanden durch gewitzte Vermittler löchrige Stellen im Eisernen Vorhang. Wer mag die Festmeter unterschiedlichster Hölzer erahnen, die sich im Laufe von siebzig Bildhauerjahren zu dem formen ließen, was die Meisterin heraus sah?!
Vor einhundert Jahren, am 27. Mai 1913, wurde Elly-Viola Nahmmacher in Gera-Debschwitz geboren. Als Siebenjährige zog die künstlerisch Hochbegabte nach Greiz. Eine Begegnung des 13-jährigen Mädchens mit dem Dresdener Bildhauer Karl Albiker, der 1926 in Greiz sein umstrittenes Denkmal für die Opfer des I. Weltkrieges enthüllte, weckte in ihr den Wunsch, Bildhauerin zu werden. Umwege führten sie als Zeichnerin in die Reichs-Limes-Komission nach Freiburg im Breisgau. Die Bildhauerin Eva Eisenlohr wurde ihre erste Lehrerin, Emil Mund und Rene Sintenis folgten. Von Ernst Barlach begeistert, vom Expressionismus wie der abstrakten Kunst gleichermaßen angezogen, fand Nahmmacher ihre entscheidenden Vorbilder in Henry Moore und Barbara Hepworth. Die Forderungen des Bauhauses nach einer auch den Alltag bestimmenden Kunst waren ihr vertraut. Oft hat sie in ihrem Greizer Atelier mit dem Bauhäusler Johannes Berthold, der auch einige wichtige Arbeiten tönte, während des Arbeitens diskutiert.
Ihre meisterlichen Hohlformen wollen deutlich machen, daß wie bei einem Gefäß nicht die Hülle, sondern der Inhalt den Wert bestimmt. "Es ist im Holz" heißt es in einer "Bildhaueretüde" des Dichters Reiner Kunze, der während seiner Greizer Jahre häufig in Nahmmachers Atelier-Biotop weilte. Sie deutet den Menschen als ein Gefäß Gottes, in das Gott schöpfen will, in dem aber auch der Mensch seine eigenen kreativen Kräfte entfalten kann. Der in viele Skulpturen hineingemuldete "Leerraum" (Paul Claudel) spricht für die Beseeltheit, für die eigentliche Substanz des Menschen. Wo wir von uns weggeben, werden wir wertvoll. So hat auch sie ihr Leben weggeschenkt, in einer überreichen Korrespondenz wie in ihrem gewaltigen Werk.
Aber sie konnte dieses Leben auch teilen. Bekannte Schriftsteller, Maler und Komponisten gingen bei ihr ein und aus, aber auch Menschen in Notlagen konnten sich bei ihr aussprechen. Ihr gütiges Herz nahm sich immer Zeit, wusste diese aber auch zu dosieren. Die ganze Schöpfung, auch den "Bruder Tod" mit hinein nehmen in ihr Werk, das wollte, das konnte sie wie wenige unserer Zeit, in der so viel Äußeres gefragt und so wenig Inneres Bedeutung zu haben scheint.
Die letzten Lebensjahre bei einer ihrer beiden Töchter in Kromsdorf bei Weimar verbringend, fand Elly-Viola Nahmmacher nach ihrem Ableben am 5. Mai 2000 ihre letzte Ruhestätte auf dem Greizer Friedhof.
Winfried Arenhövel / 27.05.13 /
OTZ