Einstige Fabrikantenvilla mit dramatischer Geschichte in Gera-UntermhausOrtsteilrat Untermhaus begrüßt neuen Bebauungsplan für Biermannquartier und Sanierungsideen für die marode Biermannvilla in der Leibnizstraße. Erhalt der historischen Fassade wird favorisiert.
Gera. Rund um die Biermann-Villa in der Untermhäuser Leibnizstraße tut sich etwas. Das Holz der gefällten Bäume wird abtransportiert und die Untermhäuser schauen gespannt, was sich noch retten lässt von der Villa in der Leibnizstraße.
1897 ursprünglich im Auftrag des Geraer Fabrikanten Arno Luboldt, dem Miteigentümer der Mechanischen Kammgarn-Weberei Focke und Luboldt gebaut, erlebten sie und ihre Bewohner eine äußerst wechselvolle, auch menschlich tragische Geschichte. Arno Luboldt fiel 1915 im Ersten Weltkrieg in Litauen, sein Sohn geriet 1916 in Kriegsgefangenschaft. Das bedeutete das Aus für das Geraer Weberei-Unternehmen.
Die Villa wurde 1919 an den Warenhausbetreiber Max Biermann verkauft und galt Anfang der 20er Jahre als kreativer Treffpunkt von Malern und Architekten. Einige Zimmereinrichtungen sollen die Handschrift des Architekten Thilo Schoder, einem Van de Velde Schüler und namhaften Vertreter des Neuen Bauens getragen haben. Nachdem die jüdische Kaufmannsfamilie Biermann 1937 von den Nazis enteignet, in die Flucht und ins Konzentrationslager Buchenwald getrieben wurde, bekam die Villa wechselnde Besitzer, wurde nach 1948 als städtischer Kindergarten und Hort genutzt. Ab 1990 gab es zahlreiche Nachnutzungspläne, bis 2008 die Villa zwangsversteigert und für abbruchreif erklärt wurde.
Nachdem der Bauausschuss dem zweiten Entwurf zur Bebauung des Biermann Quartiers mit Biermannvilla am 13. Januar zugestimmt hatte, sagt Ortsteilbürgermeister Reinhard Schmalwasser: "Wir freuen uns, dass nun doch noch ein Rettungsversuch für die Biermannvilla als Verkörperung Geraer Stadtgeschichte unternommen wird. Es wäre schön, wenn wenigstens die äußere Hülle erhalten würde und sie sich so architektonisch gut in den Straßenzug integrieren würde."
Untermhaus erfährt Aufwertung
Durch jahrelange Vernachlässigung wirkt der Luboldtgarten hinter der Biermannvilla wie ein verwunschenes Baumreich. Auch er soll wieder gärtnerische Pflege und Sorgfalt erfahren. Untermhaus sei ein gewachsenes historisches Ensemble, auf das seine Einwohner stolz sind. "Mit Theater, Orangerie, Dixhaus sind hier in hoher Konzentration Kulturstätten angesiedelt, die ihresgleichen suchen und als Besuchermagnete weit über die Stadtgrenzen hinaus wirken. Durch die Neugestaltung des Biermannquartiers erfährt Untermhaus eine weitere bauliche Aufwertung", freut sich der Ortsteilbürgermeister.
Dem Beschluss des Ausschusses war eine Beratung dazu im Ortsteilrat vorausgegangen. "Wir unterstützen die Pläne der Neugestaltung des Biermannquartiers", so Reinhard Schmalwasser, "weil sie einen guten Kompromiss zwischen den Interessen des Investors und der Anwohner bilden." Beruhigend wirke auf die Untermhäuser vor allem die geplante Öffnung des Mühlgrabens bis zur Elster, der bei Hochwasser oder schon bei Starkregen entlastend wirke und vor den gefürchteten Überschwemmungen schütze. Auch die leidige Parksituation, die viele Anwohner durch Neubauten noch verschärft sahen, würde durch die vorgelegten Pläne entschärft. Ende Januar soll der zweite Entwurf für die Bebauung des Biermannquartiers öffentlich ausliegen. Diese Möglichkeit der Einsichtnahme und Information solle jeder Untermhäuser nutzen, denn nur, wer gut informiert sei, könne sich ein sachliches Urteil bilden und gegebenenfalls noch Vorschläge unterbreiten.
Elke Lier / 21.01.15 /
OTZ