strubbelmiez_1975 hat geschrieben:
gera vergratzt seine bürgerlein aber eben auch auf verschiedene art, wie du ja hier und da mitbekommst...

Und da stimme ich Dir zu. Auch wenn die Punkte, die für uns in den vergangenen 20 Jahren in Gera von Bedeutung waren, nicht unbedingt etwas mit "Einkaufsstadt" zu tun haben, sondern mit dem Umgang mit den Einwohnern allgemein, mit dem Stil, der hier in der Kommunalpolitik vorherrscht.
Da reicht aber ein Blick ins ach-so-tolle Jena, um zu erkennen, daß es da kein bißchen anders ist. Nur, daß das Zuckerbrot süßer ist: Elite, Leuchtturm, Paradies, beste Stadt der Welt, klug, klug, klug. *)
Real bleibt den "Ureinwohnern" Jenas letztlich nur die bittere Erkenntnis, daß ihre Stadt als Profitcenter aufgefaßt wird, daß dort jeder Quadratmillimeter vergoldet wird und vieles schon verschachert wurde. Systematische Lebensraumeinschränkung und Wohnwertminderung zwecks weiteren Reinpressens von Wirtschaft ist allgegenwärtig. Eine ehemalige Lehrerin von mir, Mitte 70, muß mit dem Taxi einkaufen fahren, weil es im erlaufbaren Umfeld nichts mehr gibt. Jetzt schänden sie halt das Stadtzentrum nachhaltig und die Bürger müssen erkennen, daß alles ohne sie geschieht: eine Stadt als reiner Dienstleister des Kapitals.
Schau mal, wer interviewt wird in den Zeitungen (auch hier in Gera, wenn die Rubrik "Lichtstadt Jena" abgefeiert wird). Es sind keine normalen Einwohner. Es sind zugezogene Führungskräfte und der Oberbau der Universität. Die dürfen dann erzählen, wie wohl sie sich fühlen, wie naturnah man hier leben kann. Klar, da findet sich ganz plötzlich auch ein freies Grundstück am Stadtrand, damit eine neue Fabrikantenvilla reingesetzt werden kann. Da sind 500 kEUR oder 750 kEUR ja auch kein Problem. Dem normalen Einwohner bleibt die "Platte" und teils mehrere Jahre Suche nach einer Wohnung im Tausch (!), wenn sich familiär was ändert.
In Jena wird dermaßen was von gegessen, was auf den Tisch kommt, daß ich mir kaum vorstellen kann, daß es anderswo ähnlich schlimm ist. Die Sitten sind sehr rauh dort. Und die Leute sind oft aggressiv, denn Enge macht aggressiv und hohe Preise verleiten zur Annahme, das Recht mitgekauft zu haben.
strubbelmiez_1975 hat geschrieben:
dazu kommen halt noch gewisse klagen und "zufällige" fehler der verwaltung, dann kommen wieder fehler der verwaltung, die veranstaltunger ebenfalls vergratzen...wo soll das ganze noch hinführen? bei der wirtschaft sind wir uns alle einig ...
Bleibt die Frage, ob pure Absicht oder tatsächlich nur Inkompetenz. Ich kann sie nicht beantworten. Klar ist auch, daß Jena nur aufgrund der Industrie und der Forschungslandschaft so gut dasteht. Gera hatte halt keine zwei Westkonzerne, die sich nach der Wende erinnern konnten...
strubbelmiez_1975 hat geschrieben:
habe dort bislang auch noch niemanden klagen hören und ich kenne, wie viele andere auch weitere arbeitswege, die aufgrund der anbindung dann auch kein thema sind (alle 20min. s-bahn zwischen pdm und bln waren ja nu echt klasse).
Ich komme nur manchmal dorthin, steige aber immer schon in Griebnitzsee aus. Wegen des RBB-Funkhauses. In Potsdam war ich, muß ich zu meiner Schande gestehen, bislang nur einmal zu einer Konferenz.
strubbelmiez_1975 hat geschrieben:
könnte die uhr zurückdrehen und stünde ich noch einmal vor der entscheidung, hätte ich hier maximal urlaub gemacht
Bei mir wäre es schwieriger. Ich mag das Umland Berlins (die Seen) sehr, kann aber das urbane Leben nur sehr bedingt wertschätzen. Ich gehe kaum mal abends weg, benötige die große Stadt also eigentlich nicht. Schön, wenn man doch zweimal im Jahr auf ein tolles Konzert kann. Mehr Freunde als in der Provinz fand ich in Berlin letztlich auch nicht. Meine Wohnung steht in Berlin, weil ich da im Unterschied zu Jena selbstbestimmt leben kann und als Mensch (viel mehr als nur als "zahlender Mieter") behandelt werde. In Jena halfen weder Festanstellung, Doktortitel oder ähnlicher Quatsch, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Also: danke, kein Bedarf. In Gera mag ich selektiv mein Elternhaus und einiges aus der Stadt, vor allem das, was grün und ruhig ist. Das könnte ich auch irgendwo in der Pfalz haben. Und die zwei, drei wirklich wertvollen Freunde sind in Jena. Was also tun.

*)
Vgl.
http://www.jenanews.de/images/flash/nr1.swfhttp://www.jenanews.de/images/flash/nr6.swfhttp://www.jenanews.de/images/flash/nr7.swfhttp://www.jenanews.de/images/flash/nr4.swf(Und ja, die meinen das ernst.)