Sooo, sorry, hat ein bissl gedauert. Habe ja auch noch andere Baustellen und auch wieder mal nen Ortswechsel.
pfiffikus hat geschrieben:
Radiowaves hat geschrieben:
Das Elend hat sich Deutschland aber selbst eingehandelt,
Mach mal halblang! Der Mensch ist kein "Elend", keine Belastung für den Planeten, sondern eine Bereicherung!
Mit "Elend" meinte ich die EEG-Modalitäten, die jetzt die Umlage steigen lassen. Oder allgemeiner: die praktizierte Verfahrensweise, bei der Energiewende auf das Modell "Gier" zu setzen.
pfiffikus hat geschrieben:
Keine Spezies, die in einem Biotop auftaucht, wird ohne Wechselwirkung mit den restlichen Bestandteilen der Biomasse darin leben können.
Die Menschen haben schon vor langer Zeit ohne Kohleverstromung und ohne Kernkraft zu Artensterben beigetragen. Erinnert sei an die Mammuts, die Auerochsen und viele andere Tierarten.
Das ist mir völlig klar. Und unsere mitteleuropäischen Wälder / unbeackerten Flächen sind i.d.R. Kulturlandschaften und sähen, hätte der Mensch nicht massiv eingegriffen, ganz anders aus.
Was aber zum Problem wird, ist die massive Freisetzung von CO2 aus vor Jahrmillionen, weit vor dem Zeitalter der heutigen Erdenbewohner und ihrer Anpassung an die Zusammensetzung der Atmosphäre eingelagerten, also der Atmosphäre entzogenen Kontingente. Die Änderung der Atmosühärenzusammensetzung erfolgt somit rasant, auf einer Zeitskala, bei der keine evolutionäre Anpassung möglich ist. Hinzu kommt die extreme Flächenversiegelung, der massive Einsatz von Chemie (Bienensterben als nur eine Folge!) etc. Das geht weit über das hinaus, was dieser Planet ohne Folgen für die auf ihm lebenden Spezies verkraften kann.
Das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hatte vor ein paar Jahren untersucht, warum der CO2-gehalt der Atmosphäre trotz unvermindernd anhaltender Freisetzung durch den Menschen nicht nennenswert weiter steigt. Man fand heraus, daß das hinzukommende CO2 in den Weltmeeren eingelagert wird. Zu deutsch: die Meere werden saurer (Kohlensäure). Es gibt Szenarien, daß das durchaus gefährlich für Schalentiere werden kann und somit die Anfänge von Nahrungsketten wegbrechen können. Nur als ein Beispiel.
pfiffikus hat geschrieben:
Nützt nix. Perspektivisch könnte es mal so weit kommen, dass es möglich wird, rein regenerativ zu leben. Derzeit gibt es dazu keine Chance. Der damit verbundene Verzicht wäre zu groß. Unsere arbeitsteilige Welt könnte ohne Unmengen von Transportleistungen und ohne den Verbrauch von gewaltigen Energiemengen nicht funktionieren.
Das ist unzweifelhaft korrekt, aber "nützt nix" ist eine Einstellung, die jede Chance auf auch nur einen "Teilerfolg" sofort im Ansatz zerstört. Es gibt viele Ansätze, die bezogen aufs Weltklima große Effekte haben, wenn sie nur massenhaft (wieviele Milliarden Menschen haben wir gerade?) umgesetzt werden. In erster Ableitung gibt es dabei keinerlei Verzicht auf echte Lebensqualität, höchstens Verzicht auf etwas vom gewohnten "Lebensstandard" - bei uns. Anderswo gibt es sogar steigende Lebensqualität durch den Übergang.
Alleine schon, wenn statt "jedes Jahr ein neues Smartphone" diese Hightech-Produkte etwas mehr Achtung und Wertschätzung erfahren würden und 2 oder 3 Jahre Nutzungsdauer erhielten, bevor sie irgendwo hinten im Schrank landen, wäre auf diesem Gebiet viel erreicht. Mein erstes handy nutzte ich von 2004 bis 2012, das zweite seit 2012. Ist halt kein Smartphone, dafür komme ich 1 Monat mit einer Akkuladung hin.
Oder: ich kann mit meinen Computern alles tun, was ich will und was ich brauche (Ausnahme: schnelles Internet, das liegt aber nicht an den Computern, sondern an der Tatsache, daß ich faktisch "Nomade" bin und nirgendwo so sesshaft, daß sich ein Breitband-Vertrag mit 24 Monaten Laufzeit rechnen würde, so daß ich mit UMTS-Stick und 5 GByte / Monat hinkommen muß). Das letzte mal, daß ich Neuteile in einen meiner Computer eingebaut habe, war im Jahre 2000/2001, als ich auf einen Pentium III 850 MHz aufrüstete. Alles, was danach kam, waren Gebrauchtgeräte aus Industrie-Rücknahmen nach Ablauf der Miet/Leasingverträge. Zuerst ein IBM-Laptop, das ich 2007 als 3 Jahre altes Gebrauchtgerät erwarb. Dieses T40 nutzte ich bis September 2016, nun ist es wirklich durch wöchentliches Herumtragen im Rucksack kaputt (Southbridge löst sich vom Mainboard). Nun kommt ein Lenovo T420 zum Einsatz, das wieder als aufbereitetes Gebrauchtgerät gekauft wurde und 4-5 Jahre alt ist. Einzig die Festplatte ist neu und der RAM aufgerüstet (so viel wollte ich nicht, es wurde mir spendiert), der Rest ist alt. Und ich bin froh, daß es so ist und hoffe auf mindestens 5 Jahre Nutzungsdauer.
Wenn man, so körperlich fähig, die 400 m zum Bäcker doch nicht mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegt, summiert sich ebenso was zusammen wie, wenn man bevorzugt regional hergestellte Produkte kauft und versucht, saisonal übliche Lebensmittel zu beschaffen. Nicht immer ist das möglich und i.d.R. ist es teurer als wesentlich weitergereiste Ware, aber man kann es versuchen.
Es ist bekannt, daß viele Heizungen in Deutschland weit unter dem möglichen Potential laufen. Es gibt Beispiele derart vergurkter Anlagen (atmosphärischer Kessel über Mischer an Fußbodenheizung angekoppelt und kochend heiß mit geringem Volumenstrom im Start/Stop-Betrieb gefahren anstelle Brennwertheizung mit niedrigen Temperaturen und vollem Brennwerteffekt direkt auf das Heizungssystem), daß sie statt möglichen 96% Jahrenutzungsgrad nur 50% erreichen - siehe hier
http://www.beitzke.de/de/ref/seidenw.html . Wenn solche Systeme in Ordnung gebracht werden (in manchen Fällen sogar nur ordentlich eingestellt werden), wird der größte Energiefresser des Landes schonmal deutlich gezähmt.
Die heftigen Probleme nach all diesen problemlos machbaren Dingen kommen erst in der zweiten Ableitung: der partielle Konsumverzicht ruiniert unser Wirtschaftssystem, das nunmal so gestrickt ist, daß nur ständiges Wachstum (etwas, das man aus der Natur von Krebsgeschwüren kennt) honoriert wird. Damit sind wir zum städigen Mehrkonsum verdammt, ansonsten gehts weiteren Arbeitsplätzen an den Kragen - wenn auch im Falle der bunten elektronischen Welt weitgehend in Asien und nicht in Deutschland. Aber auch dort wollen die Menschen was essen.
Das Problem muß also grundlegend angegangen werden durch eine komplette Änderung der größten Selbstverständlichkeiten unserer Zeit. Von "oben" kann das kaum erfolgen, da nicht die Politik das Sagen hat, sondern das Kapital. Das Kapital selbst wird versuchen, so lange es geht, bei dem zu bleiben, was ihnen maximalen Profit beschert. Wenn das gegen die Zukunft der Menschheit gerichtet ist, dauerts ein bißchen, bis das auch dort ankommt und man ebenso versucht, sich neue Felder zu erschließen, die den Ast, auf dem man sitzt, nicht absägen. Nicht alle Branchen werden das schaffen, aber man erkennt teils Bewegung. In der Zeit des Solar-Booms waren auch Shell und BP dabei und hatten eigene Solarfirmen. Und die Rügenwalder Mühle, der Inbegriff für Teewurst, bietet nun Wurstersatz in perfekter optischer und fast perfekter geschmacklicher Tarnung an, weil nicht zu leugnen ist, daß die Zahl der sich fleischarm oder fleischlos ernährenden Menschen massiv zugenommen hat - aus welchen individuellen Gründen auch immer.
Am effizientesten ist aber Wandel von unten, aus der breiten Basis der Bevölkerung heraus. Das funktioniert teils sehr gut, nicht nur in ärmeren Ländern. In Großbritannien hat die Transition-Town-Bewegung viel erreicht und in anderen Staaten wurde das kopiert. Dabei geht es nichtmal primär darum, den ultrakrassen durchschlagenden Erfolg bei der Bekämpfung des Klimawandels zu machen (auch wenn das "weg vom Öl" ein ganz wichtiges Thema für Transition Town ist), es geht vielmehr darum, die Menschen wieder zu friedlichen, liebevollen Gemeinschaften zusammenzubringen, Nachbarschaftshilfe zu organisieren, gegen die Vereinzelung (und damit Verwarlosung) anzugehen und vor allem bei den Menschen Freude an der Teilnahme bei der Umgestaltung des menschlichen Lebensumfeldes hin zu einem liebevollen Umfeld auszulösen.
Es gibt also durchaus viel, was man machen kann. Jetzt schon.
pfiffikus hat geschrieben:
Du müsstest versuchen, die Menschen zu Produktionsmethoden des vorvergangenen Jahrhunderts verpflichten. Mit der Konsequenz, dass damit auch nur so viele Produkte zur Verfügung stehen, wie damals.
Nein. Das geht nicht, das dürfte (fast) allen klar sein. Es geht darum, die Industrie fit zu machen für die Produktionsmethoden des 21. Jahrhunderts. Und die Menschen sensibel zu machen für die Bedeutung ihres Tun und Lassens für ihre eigene Zukunft.
pfiffikus hat geschrieben:
Welchen Einfluss hätte das auf den Lebensstandard? Moderner Schienenverkehr, Computer, zeitgemäße Kommunikationsmittel wären nicht komplett mit erneuerbaren Energien herzustellen und zu betreiben. "Dezentral und regenerativ" ist das nicht machbar. Zumindestens nicht heute.
Hängt von der Region ab, von ihrer Geographie, von der Nähe der dortigen Menschen zu ihrer Herkunft (also ihrer Verbindung zum Planeten). In der Schweiz sind faktisch alle Bahnstrecken elektrifiziert und ca. 90% des Bahnstromes der Schweiz kommen seit langem aus Wasserkraft. Die spezielle geographie der Schweiz macht das möglich - in Deutschland schafft man das nicht. Siehe
https://www.sbb.ch/content/dam/sbb/de/p ... gie_DE.pdf - durchaus auch so beeindruckend: mit 4% des Energiebedarfs des Schweizer Verkehrs erbringt die SBB 17% des Personen- und 38% des Gütervolumens in der Schweiz.
Andere Regionen, die wir hier üblicherweise gar nicht auf dem Schirm haben, fangen erst an. In einer Siedlung in Kitale / Kenia war es üblich, daß die Frauen täglich viele Kilometer in den noch vorhandenen Rest-Wald liefen, um Brennholz zu holen, auch und vor allem für die Küche. Die ineffiziente Verbrennung hat viele Emissionen verursacht. Nun geht man mit Solar (teils mit saugefährlichen umgemodelten Satschüsseln - kleine Spiegelscherben aufgeklebt, in deren Brennpunkt ein Kochtopf ist und wenn jemand versehentlich in den Lichtstrahl guckt, ist das Auge verdampft) und Biogas an die Sache heran. Die landwirtschaftlichen Abfälle werden in selbstgebauten Biogasmeilern einfachster Art verwendet. Natürlich reicht das nicht, um ein Las-Vegas-beleuchtetes Highlife zu veranstalten, wie wir es kennen, aber für die Menschen dort ist es eine massive Verbesserung der Lebensqualität bei gleichzeitig sinkender Umweltbelastung.
Daß die Industrie als Goßabnehmer von Energie nicht auf Solar-Insellösungen umsteigen kann, versteht sich natürlich von selbst. Aber auch hier gibt es abseits der Schwerindustrie durchaus Möglichkeiten, die man künftig nutzen kann.
pfiffikus hat geschrieben:
Eine solche "heile Welt" kann aus diesem Grunde in einer Demokratie keine Mehrheit finden. Das könnte uns nicht einmal einmal ein Diktator befehlen.
Ich weiß. Und deshalb sehe ich auch schwarz, was die Zukunft (Ost)deutschlands betrifft. Es ist offenbar mit Völkern so wie mit kleinen Kindern: sie müssen durch jede Phase selbst durch und können keine Phase überspringen. Und so müssen wohl die Ostdeutschen auch durch die Wirtschaftswunderzeit mit Schöpfen aus dem Vollen", obwohl das planetar gar nicht mehr möglich ist, weil die Ressourcen nicht mehr zur Verfügung stehen und die Steigerungsraten nicht mehr möglich sind. Entsprechend frustriert gibt man sich ja auch im Osten, flucht man über die "linksgrüne Diktatur" Mir fällt das massiv im Kontrast zu den Leuten auf, die ich z.B. aus BaWü kenne. Da ist ein ganz anderes Bewußtsein vorhanden für den eigenen Beitrag zur Zukunft dieses Planeten. Ich habe inzwischen etliche dieser Menschen kennengelernt, es ist immer wieder ein Energieschub für mich.
pfiffikus hat geschrieben:
Und weißt Du, was ich auch gut finde? Dass irgendwann 2017 bzw. 2018 damit begonnen werden kann, CO2 mittels Solarstrom einzusparen. Schade, dass es vorher nix wird!
Wie meinst Du das?
pfiffikus hat geschrieben:
Radiowaves hat geschrieben:
Das Ergebnis: der nackte Strompreis vor Abgaben und Steuern ist seit 2011 gesunken (!) und liegt derzeit auf dem Niveau von 2002.
OK, aber was hat das mit den erneuerbaren Energien und Solarstrom zu tun?
Sehr viel. Es ist vor allem der massiv in den Markt gebrachte Ökostrom, der den Strom-Grundpreis sinken lässt. Es ist zwar schwierig, dazu kondensierte und unabhängige Aussagen zu erhalten, aber man kann sich dazu z.B.
hier orientieren. Achtung, ist knapp 2 Jahre alt!
pfiffikus hat geschrieben:
Schau mal in die Lobbyistenseite, die Du da verlinkt hast! Da steht:
Zitat:
Gegenüber dem Jahr 2014 ist der Preis für Grundlaststrom (Baseload) von Januar bis Dezember 2015 im Durchschnitt um 3,5 Prozent von 3,28 Cent pro kWh auf 3,16 Cent ct/kWh gesunken.
Aber Photovoltaik produziert ja überhaupt keine Grundlast! Und bei Wind kann man nur einen geringen Teil davon als Grundlast bezeichnen.
Eine einzelne Windkraftanlage / ein Windkraft-Cluster stellt für sich allein natürlich keine "Grundlast" dar, aber die Vernetzung, die heute schon gegeben ist, sorgt für den nötigen Ausgleich und entgegen aller postulierten Horroszenarien hat das Netz bislang auch durchgehalten, braucht aber natürlich dringend eine Ertüchtigung für die Anforderungen, die meterologisch schwankende Kraftwerke mit sich bringen.
pfiffikus hat geschrieben:
Habe mir die Seite mal angesehen. Die verschwurbeln da noch mehr Zeug, Dir ist es entgangen oder wolltest Du das nicht lesen?
Zugegeben: ich suchte ein paar Grafiken, aus denen ich selbst erstmal halbwegs aktuelle Zahlen holen kann. Und ich war wieder mit GSM-Geschwindigkeit unterwegs, also 50 kBit/s. Dementsprechend froh war ich, nach langer Suche wenigstens ein paar Abbildungen gefunden zu haben, die für mich verwertbar waren. Den Text habe ich kaum mal überflogen. Daß es eine Lobbyseite war, habe ich mitbekommen, war mir nicht recht, aber ich war froh, daß da paar Daten standen, die sie wenigstens nicht gefälscht haben sollten. Wenn, dann generiert man ja eher aus echten Daten bizarre neue Werte, die vernebeln sollen.
pfiffikus hat geschrieben:
Wenn es dann soweit ist, dann werden die fossilen Rohstoffe tatsächlich und nachhaltig knapp. Dann werden die Energiepreise automatisch steigen. Und dann wird man kein EEG-Gesetz brauchen, dann werden die erneuerbaren Technologien von selbst rentabel.
Dann sind sie aber nicht aufgebaut und man stünde bei Null. Jede andere Nation, deren Bevölkerung wachsamer gewesen ist, hätte sich dann einen handfesten Vorteil aufbauen können. Es wäre mehr als nur dumm und fahrlässig, Deutschlands Zukunft durch Verpennen der Energiewende-Zeitfenster zu riskieren. man ist auf dem besten Wege, das nun nachträglich noch zu versauen.
pfiffikus hat geschrieben:
(Ob dann noch die Photovoltaik oder Windkraft zeitgemäß sein wird, kann ich nicht beurteilen. Wahrscheinlich wird dann derjenige der Energiebaron sein, der die Kernfusion beherrscht und die Welt mit billiger Energie fluten kann.)
Könnte sein. Ich vermute aber, daß die radikale Verknappung der fossilen Brennstoffe zeitiger kommt. Deutlich zeitiger. Wir können sie ja auch nicht bis auf 0 runterfahren, da wir Öl z.B. für weitaus "hochwertigere" Aufgaben brauchen als nur zum Verbrennen. Ganze Industriezweige und letztlich fast alle Konsumgüter brauchen Öl für irgendwas.
pfiffikus hat geschrieben:
Radiowaves hat geschrieben:
Und da ist schon ein Wahnsinn drin, den ich mache: ich heize mein kleines Badezimmer ausschließlich mit einem 2-kW-Heizlüfter: geht schnell (Luft in 30 Sekunden warm) und ist im Unterschied zu meiner Fernwärme-Heizung, die wohl an einem Berliner Kohlekraftwerk hängt, aus 100% Wasserkraft erfolgt.
Ja glaubst Du denn der Lobbyistenseite nicht mehr, die Du verlinkt hast? Da steht:
Zitat:
Auch der im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erzeugte Strom aus Wind-, Solar-, Wasserkraft- oder Biogasanlagen wird am Spotmarkt vermarktet. Eine Besonderheit ist es, dass der Strom am Spotmarkt unkenntlich, d.h. ohne Herkunftsnachweis als neutraler "Graustrom" verkauft werden muss.
Und wie soll Dir jetzt ein Stromversorger diesen Strom, der doch als "Graustrom" vermarktet wird, als 100% Wasserkraft verkaufen?
Mein Stromversorger ist die
EWS Schönau. Die EWS kauft gar keinen Strom an der Strombörse, wie mir das Unternehmen gestern auf Nachfrage versichert hat. Man unterhält
direkte Geschäftsbeziehungen zu Wasserkraft- und Windkraftanlagen-Betreibern in Norwegen und Österreich. In Deutschland hat man nur 3 Anlagen (1 Windkraft, 2 Solar) unter Vertrag. Der Bedarf wird ein Jahr im Voraus prognostiziert. Aufgrund der hohen Anforderungen der EWS an ihre Produzenten kann man den Bedarf zur Zeit fast ausschließlich durch den Einkauf in Norwegen und Österreich decken. Man arbeitet am Aufbau weiterer Lieferanten in Deutschland.
Der Öko-Ansatz dabei ist: man hat 70% des Stromes aus sogenannten "Neuanlagen" im Portfolio. Diese Anlagen sind, wie der Name schon sagt, nicht schon ewig am Netz und liefern damit keinen "entbündelten" vermeintlichen Ökostrom, der immer schon im "Graustrom" drin war. Neuanlagen verdrängen durch die Einspeisung ihres Ökostromes andere Stromlieferanten im entsprechenden Umfang (solange der Gesamt-Strombedarf nicht steigt) bzw. verhindern bei steigendem Bedarf wenigstens, daß dieser aus fossilen Anlagen gedeckt wird.
Dieser Strom kommt natürlich nicht "sortenrein" bei mir an, aber er gelangt ins europäische Stromnetz. Und da wirkt er, genau wie anderer Ökostrom auch, selbst wenn er mit konventionellem Strom zu "Graustrom" vermischt wird. Entscheidend ist hierbei nur, daß dieser Strom aus Neuanlagen kommt und nicht durch "grünrechnen" mittels Ablasshandel (Zertifikate) entstanden ist.
Es gibt in Deutschland kein Gesetz, das vorschreibt, dass der Strom an der Börse gehandelt werden muss. Die meisten (v. a. kleinen) Produzenten tun das, weil sie dort auf 20 Jahre eine garantierte Einspeisevergütung bekommen. Jeder Versorger kann den Strom ankaufen. Der Preis ist dann Verhandlungssage und natürlich kommen auch Vorgaben dazu: Die Anlage muss fernsteuerbar sein, der Versorger muss die Produktion in sein "Verbrauchsband" (Angebot zeitgleich mit Nachfrage) aufnehmen etc.
Ärgerlich (und offenbar politisch gewollt) ist, daß ausgerehcnet die effizientesten und saubersten der fossilen Kraftwerke diesen Teil der Energiewende nicht überlebt haben, obwohl man sie eigentlich dringend braucht: die schnellen Gaskraftwerke. Das wird sich u.U. noch rächen, hier hätte regulierend eingegriffen werden müssen.
pfiffikus hat geschrieben:
(Ja das geht, wird in Gera auch praktiziert. Der Versorger kauft billigen Atomstrom, zum Beispiel aus Frankreich. Dieser wird nach Norwegen verkauft. Ahnungslose Norweger nutzen deshalb französischen Atomstrom. Und dann wird die identische Menge norwegischer Wasserkraftstrom eingekauft und den Deutschen als "Ökostrom" verkauft. In Wirklichkeit ist es nur grün gestrichener Atomstrom.
Das passiert und das passiert auch innerhalb Deutschlands. Dazu muß man nicht einmal solche Umwege gehen. Es genügt doch schon, wenn die Marketingabteilung des Energieversorgers sagt, die Leute wollen Ökostrom, lass uns mal den ohnehin vorhandenen Anteil an solchem im bezogenen Strommix entbündeln und separat verkaufen. Den "Egalstrom-Kunden" ist ja wurscht, welche Farbe das Tortendiagramm im Beiblatt ihrer nächsten Stromrechnung hat. Der Verdacht ist immer dann gegeben, wenn der ersorger nicht 100% Ökostrom im Angebot hat. Selbst wenn alles "grün" ist, funktioniert der Betrug noch auf die von Dir beschriebene Weise.
In Deinem Beispiel sind aber noch die Norweger als Stromkunden im Spiel. Und die müssen auch das Bewußtsein entwickeln, was sie da nutzen. Wie weit man dort im Volke damit ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Wenn die Norweger auch darauf achten, was sie im Strommix beziehen, funktioniert der Betrug nicht mehr. Und wenn - wie im Falle der EWS - der Strombezug direkt aus Neuanlagen erfolgt und keine Kompensation durch anderen Strom erfolgt, funktioniert er auch nicht.
Die Geschäftspraktiken und Bilanzen der Ökostromanbieter werden überwacht durch diverse Einrichtungen. An dieser Stelle muß ich als Externer freilich die Verantwortung dorthin abgeben und unterstellen, daß man dort ordentliche Arbeit leistet. Sonst kann mans in der Tat gleich bleibenlassen.
pfiffikus hat geschrieben:
Was Du machst, ist irrwitzig. Du boykottierst die Fernwärme. Damit zwingst Du den Fernwärmeversorger, diese Menge der bei einer Kohleverstromung ohnehin entstehende Abwärme an die Luft oder an die Spree abzugeben.
Zusätzlich schaffst Du noch 2kW zusätzliche Nachfrage nach grün lackiertem Atomstrom.
Letzteres schonmal nicht, siehe oben.
Ersteres: ich werde mich nochmal erkundigen, woher unsere Fernwärme kommt. Ich bin da bei meinem Mini-Verbrauch (im Wohnzimmer heize ich selbstverständlich mit Fernwärme, wenn auch nur so, daß ich mit Pullover dort sitzen kann, das Schlafzimmer ist genau wie die Küche i.d.R. ungeheizt bis auf wirklich sehr kalte Tage) aber nicht wirklich relevant. Wir bekommen bei der Jahresabrechnung immer ein den beiblättern die Verbrauchwerte etlicher Blocks unserer Genossenschaft. Darunter befindet sich auch der Nachbarblock, steht parallel zu unserem, exakt gleiche Umweltbedingungen (Verschattung etc), exakt gleiche Größe (48 WE). Dieser Block bekam vor 3-4 Jahren Vollwärmedämmung, unserer hats noch nicht. Man hat dort signifikant weniger Heizbedarf (1/3 weniger) als bei uns. Das sind die handfesten Einsparungen (dafür gammelt nun dort halt die Fassade und will immer mal wieder giftige Anti-Algen-Farbe). Da wird ja auch niemand kommen und sagen, das ist ganz böse, da wird die Spree geheizt. Ich gehe der Sache aber noch nach.
pfiffikus hat geschrieben:
Aber ich gebe zu, es beruhigt das Gewissen, solange man vermeidet, über die physikalischen Grundlagen nachzudenken.
Ich bin zufällig Physiker. Auf dieser seite also hoffentlich keine Verständnisschwierigkeiten. Auf der juristischen / wirtschaftlichen siehts shcon ganz anders aus, da komme ich immer wieder ins Schwimmen, zumal die Modalitäten des EEG auch mehrfach geändert worden sind und man kaum alle in Frage kommenden Tricksereien kennen kann.
pfiffikus hat geschrieben:
Nun bitte ich Dich, lass Dich nicht von der Partei der Besserverdienenden (die sich den Einkauf im Bioladen und die PV-Anlage auf dem Dach leisten können) und deren Politik zu sehr einlullen.
Wer ist den die Partei der Besserverdienenden? Gibt es die überhaupt noch? Falls es die CDU sein sollte: wüßte nicht, daß ich mich von denen gerne einlullen lassen würde.
pfiffikus hat geschrieben:
Die kleinen Leute, die nicht in den Bioladen, sondern zur Tafel gehen, die zahlen die Zeche, auch wenn Du die in Deinem Beitrag zu bagatellisieren versuchst.
Niemand kann genau sagen, wo der Energiepreis wäre, wenn es kein EEG und keine nennenswerten Mengen erneuerbare Energie gäbe. Eins ist aber Tatsache: über die Verknappung der fossilen Energieträger, deren immer weiter steigenden Gewinnungskosten (Ölbohren in der Tiefsee oder Fracking ist halt irre teuer, das Öl sprudelt heute nicht mehr überall so einfach wie in Lucky-Luke-Trickfilmen) und den immer weiter steigenden Bedarf in Schwellenländern mit sehr vielen Einwohnern kennen Energiekosten nur eins: aufwärts. Da helfen auch vorübergehende strategische Maßnahmen, wie sie angewendet werden, um nur bei hohen Rohölpreisen profitabel arbeitende Unternehmen zu ruinieren, nicht dauerhaft ab. Deshalb ist es sinnvoll, die erneuerbaren Energien auszubauen, die nötigen Infratsrukturanpassungen vorzunehmen (auch übel teuer) und das ganze möglichst sozial verträglich (!!!) umzulegen. Das ist allemal besser als in nicht allzu ferne Zukunft dazustehen, mit den Schultern zu zucken und kein funktionierendes System mehr zu haben.
Außerdem ist regenerativ und "regional" (=im eigenen Lande, nicht zwingend vor der eigenen Haustür) gewonnene Energie ein Kriegsgrund weniger.
pfiffikus hat geschrieben:
der sich auch wünschen würde, dass die EEG-Förderung anders organisiert würde
Das wäre allerdings sehr dringend zu tun. Allein der psychologische Effekt, daß Zusatzkosten für die erstrebenswerte, zukunftsverträgliche Energieform bezahlt werden müssen, statt Folgekosten der überkommenen, "schmutzigen" Energieform zu bezahlen, richtet riesigen Schaden an. Eine konventionelle Energien-Umlage (also die Subventionen für Kohle und Atom in den Strompreis eingerechnet) würde bei ca. 10ct/kWh liegen.
http://www.foes.de/pdf/2016-10-FOES-Kon ... e-2017.pdf - sollte man auch nicht vergessen. (Disclaimer: wieder ein Lobbyverein).