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1989 - was kostet die welt - einkaufen für 100 d-mark
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Autor:  untermhäuser [ Di 10.Mär 2009 20:56 ]
Betreff des Beitrags:  1989 - was kostet die welt - einkaufen für 100 d-mark

vor ein paar tagen hatten wir eine unterhaltung im freundeskreis und kamen irgendwie auf das thema begrüßungsgeld zu sprechen.
ich erinnerte mich noch gut, was ich damals dafür erstanden hatte im goldenen westen...

mit dem zug ging es an einem dezembertag in richtung fulda, ein paar schnittchen und eine thermosflasche tee (ja, die aus weichplastik mit dem ovalen trinkbecher als deckel) im handgepäck und der verhaltenen neugierde eines damals 17-jährigen pennälers. ich fuhr allein, meine freunde waren alle schon mit ihren eltern drüben gewesen und mit meiner mutter wollte ich damals nicht.
ich war spät dran für das begrüßungsgeld, die anderen ossis waren scheinbar alle schon dagewesen oder in bebra oder bad hersfeld ausgestiegen, weil sie es nicht abwarten konnten. fulda klang für mich damals schon etwas mehr in meinen ohren. jedenfalls gab es in der bank nur noch einen schalter mit der aufschrift "begrüßungsgeld für ddr-bürger" und überhaupt gar keine schlange. nach vorlage meines persos hielt ich wenige sekunden später meinen bis dahin größten reichtum in den händen: 100 westmark...

die ersten minuten lief ich planlos durch die erste einkaufsstraße mitten im zentrum und da sah ich auch schon das ziel meiner reise: ein paar weiße knöchelturnschuhe sollten mein eigen werden.
der name des schuhladens war mir bis dahin kein begriff: quick-schuh mit einem frosch als logo. tatsächlich gab es schuhe in meiner schuhgröße, mehr als genug. natürlich achtete ich auf den preis, denn der ausgespähte zug nach erfurt fuhr erst am abend.
glücklich, mit einem froschbeutel und westwerbung in der hand und knappe 30 mark ärmer verließ ich den laden. erst am nächsten morgen stellte ich beim auspacken überrascht fest, dass in dem beutel noch ein frosch-kugelschreiber und schuhpflegemittel enthalten waren. gratis-werbegeschenke, völlig ungewohnt.
mindestens zwei stunden hielt ich mich dann in einem schallplattenladen auf, suchte, fand und betrachtete die cover von bands, deren musik ich auf dt64, hr3, bayern3 oder ndr2 bisher nur in speziellen sendungen auf cassette mitgeschnitten hatte. für meine mutter kaufte ich als weihnachtsgeschenk eine platte mit kuschelsongs. an mir selbst geizte ich überaus kontrolliert.
in einem anderen geschäft kaufte ich ein zehnerpaket 90er maxwell-chromdioxidkassetten für unschlagbare 7,99 dm. im osten kostete eine basf-kassette ende der 80er harte 25-35 ddr-mark und mein kassettenrekorder brauchte ständig unbespieltes band...
den rest der zeit bummelte ich durch die stadt, aß erst am bahnsteig meine leberwurst- und käsebrote und trank nach vollbrachter anstrengung meinen wohlverdienten schwarztee mit zitrone.

von meinem begrüßungsgeld hatte ich etwas mehr als die hälfte mit nach hause gebracht und dennoch meine damaligen grundbedürfnisse gestillt.
erst im märz/april des folgenden jahres fuhr ich wieder in die brd, allerdings in den westerwald zu einem fußballturnier. es hatte sich viel getan in den letzten wochen und monaten. bei meiner gastfamilie benötigte ich die harte währung gar nicht, so dass ich mein begrüßungsgeld auch hier nicht vollends ausgeben konnte/wollte/sollte/musste.
erst ein paar wochen später in mainz beim mehrtägigen open ohr-festival, als viele schüler unserer schule in die stadt unseres partnergymnasiums reisten, ging alles an "ersparten dm" für bier, marlboro usw. drauf...

100 dm als taschengeld für drei besuche im westen, das kann ich mir heute gar nicht mehr so richtig vorstellen, dass das machbar ist... :wink:

wie habt ihr eigentlich eure begrüßungsmärker an den mann gebracht? was habt ihr dafür erstanden??? welche kleinen geschichtchen verbindet ihr noch damit???

Autor:  archivar [ Di 10.Mär 2009 23:59 ]
Betreff des Beitrags: 

So blöd es klingen mag: Nach meiner ersten Investition (eine Pizza, die ich schiedlich-friedlich mit meinem Dackel geteilt habe), habe ich am 11.11.1989 in Westberlin in den Ku`damm-Passagen 3 alte AK von Gera erworben...
Ja ja, so eine Sammlung kommt nicht von ungefähr.

Autor:  untermhäuser [ Mi 11.Mär 2009 9:43 ]
Betreff des Beitrags: 

archivar hat geschrieben:
So blöd es klingen mag: Nach meiner ersten Investition (eine Pizza, die ich schiedlich-friedlich mit meinem Dackel geteilt habe), habe ich am 11.11.1989 in Westberlin in den Ku`damm-Passagen 3 alte AK von Gera erworben...
Ja ja, so eine Sammlung kommt nicht von ungefähr.


weißt du noch, welche motive das damals waren und wie die pizza hieß? und, wie hast du dich gefühlt, schließlich hat man ja mit dem begrüßungsgeld nicht selten seine dringendsten momentanen bedürfnisse gestillt... :wink:

Autor:  Barbara [ Mi 11.Mär 2009 11:04 ]
Betreff des Beitrags: 

Ich war erst ziemlich spät "im Westen", in West-Berlin, ca. Anfang Dezember. Was ich mir vom Begrüßungsgeld gekauft habe, weiß ich nicht mehr. Ich wollte unbedingt ins KaDeWe und da habe ich auch was gegessen - allerdings nicht im "Nobelrestaurant". Dann bin ich mit der U-Bahn gefahren, kreuz und quer durch GANZ Berlin und habe die "Geisterbahnhöfe" gesehen - U-Bahnhöfe, die in Ost-Berlin waren und deren Eingänge im Osten verriegelt und verrammelt und zugemauert waren, Jannowitzbrücke z. B., Potsdamer Platz.

Autor:  René [ Mi 11.Mär 2009 16:37 ]
Betreff des Beitrags: 

Ich, damals noch nicht mal 10, war an einem Sonntag im Dezember 1989 (ich glaube der 10.12. oder so) mit meinen Eltern in Nürnberg. An irgendwelche Einzelheiten kann ich mich aber nur noch sehr schwach erinnern...

Autor:  phoenix66 [ Mi 11.Mär 2009 20:06 ]
Betreff des Beitrags: 

nun ich kann mit einem besonderen Erlebnis aufwarten. Meine Tochter hat mit dem Cousin meiner Frau, den wir schon persönlich kannten, ein Treffen am Nürnberger Rathaus vereinbart. Ich bin also am 29.11.89 früh im Morgengrauen mit einem geliehenden Trabi und einem Kanister voll Sprit in Richtung Nürnberg aufgebrochen immer die A 9 hinunter. Wie stellten den "Wagen" am Hauptbahnhof ab und suchten nun das Rathaus und als wir an der Lorenzkirche vorbei kamen, stellten wir fest, daß es 5 Rathäuser gab. Während des Geschäftsbummels trafen wir noch unseren Cousin. Während der weibliche Teil meiner Familie sich alle Mühe gab das Begrüßungsgeld auf den "Kopf" zuhauen, habe ich erst auf der Rückfahrt in Naila einen Radiorecorder mitgenommen.

Gruß phoenix66, der dieses Erlebnis nie vergißt.

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